mRNA-Therapie lockt HI-Viren aus dem Versteck |
Christina Hohmann-Jeddi |
11.06.2025 16:20 Uhr |
HI-Viren befallen Immunzellen und integrieren ihr eigenes Genom in das Erbgut der Wirtszelle. / © Getty Images/Kateryna Kon/Science Photo Library
Das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) gehört zu den Retroviren, das bedeutet, es kann sein RNA-Genom in DNA umschreiben und dieses in das Wirtsgenom von Zellen einbauen. Dort bleibt es latent vorhanden, wird aber nicht abgelesen (transkribiert). Eine antiretrovirale Therapie kann die Vermehrung der HI-Viren verhindern und die Viruslast unter die Nachweisgrenze drücken, doch an dieses latente HIV-Reservoir in T-Zellen kommt sie nicht heran.
Um diese infizierten Zellen auch noch beseitigen zu können, entwickelten Forschende um Dr. Paula Cevaal von der University of Melbourne und dem Peter Doherty Institute for Infection and Immunity in Melbourne einen speziellen Weg, das Virus aus dem Genom zu locken: Sie aktivieren die Transkription der viralen Gene, sodass die befallenen Zellen Virusproteine herstellen und Virusantigene an ihrer Oberfläche präsentieren, weshalb die infizierten Zellen vom Immunsystem beseitigt werden können. Dass dies Prinzip funktioniert, stellt das Team um Cevaal anhand von Zellkulturdaten im Journal »Nature Communications« vor.
Es setzt dabei auf mRNA-Lipidnanopartikel (mRNA-LNP), ähnlich wie bei den Coronaimpfstoffen, um in ruhende T-Zellen mRNA einzuschleusen, die den Bauplan der für die Reaktivierung ruhender Viren benötigten Proteine enthält. Das Team entwickelte hierfür die LNP-Formulierung des zugelassenen siRNA-Therapeutikums Patisiran (Onpattro®) so weiter, dass sie auch in ruhende T-Zellen ohne Stimulation eindringen kann. Diese Weiterentwicklung nannten die Forschenden LNP-X. In diese Lipidnanopartikel sind zwei mRNA-Moleküle eingebettet. Eines ist der erste codierende Bereich (Exon) des HIV-Proteins, das die Transkription des Virusgenoms aktiviert. Die zweite mRNA codiert für eine CRISPR-Aktivierungs-Maschinerie (CRISPRa), mit deren Hilfe das Ablesen von Zielgenen gestartet werden kann – in diesem Fall das HIV-Genom.
In Untersuchungen mit Immunzellen von HIV-Infizierten konnten die Forschenden zeigen, dass LNP-X etwa 76 Prozent von ruhenden CD4+-T-Zellen transfizieren kann. Der Publikation zufolge gelangte LNP-X sowohl in naive als auch in alle Formen von Gedächtnis-T-Zellen. Weitere Untersuchungen zeigten, dass LNP-X in den Zellen die Latenz des Virus aufheben konnte.
»Wir waren begeistert zu sehen, dass ein neuer Lipid-Nanopartikel – im Grunde eine winzige Fettblase – mRNA erfolgreich in HIV-infizierte Zellen transportieren konnte. Es zwang das Virus, sich zu zeigen – genau das, was wir brauchen, um es aus dem Körper zu eliminieren«, sagt Cevaal in einer Mitteilung des Doherty Institute.
»Das ist das erste Mal, dass diese Strategie so gut in HIV-infizierten Zellen funktioniert hat. Wir hoffen, dass dieses neue Nanopartikel-Design einen neuen Weg zur Heilung von HIV ebnen könnte.« Der Publikation zufolge sind bisherige Ansätze, die Latenz des Virus aufzuheben, sogenannte Latency-reversing Agents, daran gescheitert, dass sie ruhende T-Zellen nicht effizient erreichen konnten. Das Team um Cevaal bereitet sich der Mitteilung zufolge auf präklinische Tests in Tiermodellen vor – mit dem langfristigen Ziel, klinische Studien am Menschen zu beginnen.