Moraltheologie trifft Pharmazie |
An den Vortrag des Moraltheologen Professor Dr. Franz-Josef Bormann (Podium, rechts) zum Thema Schwangerschaftsabbruch beim Pharmacon in Meran schloss sich eine lebhafte Diskussion mit dem Auditorium an. / © PZ/Alois Müller
Als »Mutter aller medizinethischen Konflikte« bezeichnete Professor Dr. Franz-Josef Bormann, Inhaber des Lehrstuhls für Moraltheologie an der Eberhard Karls Universität Tübingen, die beabsichtigte vorzeitige Beendigung einer Schwangerschaft. Dabei stehen sich bekanntlich zwei Positionen gegenüber, die miteinander unvereinbar sind: der Wunsch der Frau, das Kind nicht auszutragen, und das Interesse des Kindes, zu leben. Wie Bormann deutlich machte, kann dabei bereits die Wahl eines Begriffes für den Vorgang selbst bedeuten, in diesem Konflikt Position zu beziehen: Während man sich mit der Verwendung des Wortes »Schwangerschaftsabbruch« die Sicht der Frau zu eigen mache, rücke das Wort »Abtreibung« den Fetus, dessen Leben vorzeitig beendet wird, in den Vordergrund.
Probleme mit ungewollten Schwangerschaften habe es schon in der Antike gegeben, führte Bormann aus. Er verwies auf den Eid des Hippokrates, in dem der Umgang mit dieser Situation explizit thematisiert wird: »Ich werde niemandem, auch nicht auf seine Bitte hin, ein tödliches Gift verabreichen oder auch nur dazu raten. Auch werde ich nie einer Frau ein Abtreibungsmittel geben«, heißt es in der Eidesformel, die als frühe Richtschnur ärztlicher Ethik gilt. Sterbehilfe und Schwangerschaftsabbruch werden darin also gleichermaßen kategorisch abgelehnt.
Die heutige Sichtweise unterscheidet sich von der antiken insofern, als sie auch die reproduktive Selbstbestimmung der Frau berücksichtigt. Welches Gut dabei stärker gewichtet wird, ist aber nach wie vor umstritten. Die verschiedenen Lager stehen sich heute wie früher unversöhnlich gegenüber. Das lässt sich auch an der historischen Entwicklung der gesetzlichen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch ablesen, die Bormann nachzeichnete.
In den USA leitete der Supreme Court 1973 in einem als »Roe versus Wade« bekannt gewordenen Urteil ein Recht auf Abtreibung aus der Verfassung ab. Dieses wurde 2022 mit dem »Dobbs versus Jackson Women’s Health Organisation«-Urteil wieder aufgehoben. Seitdem legen die US-Bundesstaaten die gesetzlichen Bestimmungen rund um eine Abtreibung individuell fest. Beide Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs fanden gesellschaftlich starken Widerhall.
Die Vereinten Nationen hatten 1994 eine Konferenz zum Thema »Bevölkerung und Entwicklung«, auf der erstmals ein erweiterter Begriff der reproduktiven Gesundheit diskutiert wurde. Aus diesem lässt sich faktisch ein Recht auf Abtreibung ableiten, obwohl, wie Bormann betonte, »kein entsprechendes Menschenrecht existiert«. Vorstöße in diese Richtung unternehme seit den 1990er-Jahren immer wieder der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (United Nations Committee on the Elimination of Discrimination against Women).