Mögliche Erklärung für Langzeit-Borreliose gefunden |
Annette Rößler |
16.05.2023 18:00 Uhr |
Demnach seien zu Beginn die meisten dieser Mediatoren in den CSF-Proben erhöht gewesen. Diese Werte sanken im Zuge der Antibiotikatherapie und die Symptome der Neuroborreliose besserten sich. Bei Patienten mit persistierenden Symptomen nach der Antibiotikakur, also Beschwerden im Sinne eines PTLDS, war aber der Spiegel von α-Interferon (IFN-α) im Blutserum erhöht – und zwar von Anfang an und zu jedem Zeitpunkt während des Beobachtungszeitraums. Die höchsten IFN-α-Werte waren dabei mit den stärksten Symptomen assoziiert.
Die Autoren ziehen daraus die Schlussfolgerung, dass die Borrelien-Infektion bei Patienten mit PTLDS lediglich als initialer Trigger dient, die Symptome aber nicht dadurch verursacht werden, sondern durch bleibend erhöhte IFN-α-Spiegel. Von diesem Zytokin sei bekannt, dass es auch bei anderen Erkrankungen, zum Beispiel Covid-19, Influenza und Lupus erythematodes, im Zentrum einer maladaptiven, hyperinflammatorischen Immunantwort im Sinne einer Typ-1-Interferonopathie stehe. Auch seien die Nebenwirkungen beim therapeutischen Einsatz von IFN-α, etwa grippeähnliche Symptome sowie Kopf- und Muskelschmerzen, bemerkenswert ähnlich zu den Symptomen bei PTLDS.
Die Forscher glauben daher, dass gegen IFN-α gerichtete Therapeutika bei PTLDS erfolgreich sein könnten. Hierzu zählt etwa der seit vorigem Jahr verfügbare Antikörper Anifrolumab (Saphnelo®), der bei Lupus erythematodes eingesetzt wird. Bevor solche Ansätze geprüft würden, müssten die hier gemachten Beobachtungen aber anhand von größeren Kohorten von Patienten mit PTLDS und angemessenen Kontrollgruppen validiert werden.
Die Lyme-Borreliose wurde nach einem Ort namens Lyme im nordöstlichen US-Bundesstaat Connecticut benannt. Dort hatte es in den 1970er-Jahren eine auffällige Häufung von Gelenkentzündungen bei Kindern gegeben, die zuvor von Zecken gestochen worden waren. 1977 wurde die Erkrankung erstmals in einem Artikel im Fachjournal »Arthritis & Rheumatology« beschrieben. Den Erreger der Lyme-Borreliose entdeckte 1981 der aus der Schweiz stammende US-Bakteriologe Wilhelm Burgdorfer (1925 bis 2014) in der Hirschzecke und beschrieb das später nach ihm benannte Bakterium in einer Publikation im Fachjournal »Science«.