Mit wenig viel bewirken |
Laura Rudolph |
17.09.2025 13:00 Uhr |
Eine ambulante orale Krebstherapie verlangt Patienten viel Eigenverantwortung und eine gute Compliance ab, die im Beratungsgespräch gestärkt werden können. / © Getty Images/Westend61/Robijn Page
Patienten, die erstmals ein orales Antitumortherapeutikum zur ambulanten Anwendung erhalten, haben Anspruch auf die pharmazeutische Dienstleistung (pDL) »Pharmazeutische Betreuung bei oraler Antitumortherapie«. Diese umfasst eine erweiterte Medikationsberatung sowie eine ausführliche Information zur oralen Krebstherapie. Ziel ist es, die Therapietreue zu fördern und die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) zu erhöhen.
Zwei bis sechs Monate nach dem Erstgespräch kann ein semistrukturiertes Folgegespräch stattfinden. Dabei werden erneut mögliche Einnahmeprobleme, Unsicherheiten oder Nebenwirkungen thematisiert. Wie wichtig die pDL für Patienten ist, verdeutlichte Silvia Wicha von der Antares-Apotheke in Hamburg bei einem Vortrag in der Pharma-World.
Nach dem Motto »gute Vorbereitung ist die halbe Beratung« empfahl Wicha Apothekern, die die pDL bereits anbieten oder einführen wollen, zur Vorbereitung unter anderem die AMBORA-Merkblätter. AMBORA ist ein gemeinsames Projekt der Apotheke des Universitätsklinikums Erlangen und des Lehrstuhls für Klinische Pharmakologie und Klinische Toxikologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, das etwa Informationen zu Wirkstoffeigenschaften und Nebenwirkungen bietet.
Apothekerin Silvia Wicha / © PZ/Alois Müller
Auch die Initiative »Orale Krebstherapie« der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP) und der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) bietet Beratungstools für Fachkreise. Wicha verwies zudem auf die S3-Leitlinien zur Komplementärmedizin und zur Supportivtherapie bei Krebspatienten.
Wie Apotheker mithilfe der pDL die AMTS mit einfachen Mitteln verbessern können, verdeutlichte die Apothekerin anhand von zwei Fallbeispielen. Ein geriatrischer Patient mit Cholangiokarzinom erhielt das orale Antitumortherapeutikum Ivosidenib (Tibsovo®). Aufgrund von EKG-Auffälligkeiten bat die Ärztin um eine Medikationsanalyse mit Fokus auf eine mögliche QT-Zeitverlängerung.
Ivosidenib kann die QT-Zeit verlängern. Bei der Brown-Bag-Analyse stellte sich jedoch heraus, dass der Patient seit Therapiebeginn zusätzlich ein Diphenhydramin-haltiges Schlafmittel einnahm – ohne Wissen der Ärztin. Die Kombination verstärkte die QT-Zeitverlängerung. Nach der pDL informierte die Apothekerin die Ärztin über die Interaktion. Diese stellte den Patienten auf ein retardiertes Präparat mit 2 mg Melatonin um. Das nächste EKG blieb unauffällig.
Ein weiteres Beispiel: Eine 52-jährige Patientin mit Ovarialkarzinom erhielt erstmals den PARP-Inhibitor Niraparib (Zejula®), der ein moderates bis hohes emetogenes Potenzial aufweist. Zur Prophylaxe nahm sie einmal täglich ein Antiemetikum ein.
Trotzdem klagte sie über starke Übelkeit. Im Gespräch mit der Apothekerin stellte sich heraus, dass sie von dem Krebsmedikament dreimal täglich eine Tablette einnahm – anstatt einmal täglich drei Stück – bedingt durch eine fehlerhafte Dosierungsangabe auf dem Rezept (1-1-1). Das Antiemetikum wendete sie jedoch nur einmal täglich an. Nach Aufklärung über die korrekte Dosierung besserte sich die Übelkeit deutlich. »Sie können viel erreichen, wenn Sie anfangen, die pDL bei oraler Antitumortherapie anzubieten«, schloss Wicha.
In einer anschließenden Gesprächsrunde berichtete die Apothekerin Kerstin Bornemann von der Marien Apotheke in Göttingen gemeinsam mit einer ihrer Patientinnen über Erfahrungen mit der pDL.
Tauschten sich über die pDL aus: Dr. Nina Griese-Mammen, Professor Dr. Kai Kolpatzik, Dr. Jelena Rosentreter, Sabine Schöning, eine Patientin und Kerstin Bornemann (von links). / © PZ/Alois Müller
Die Patientin schilderte ihre Situation nach der Diagnose: »Ich war sehr überfordert. Vieles ist an mir vorbeigerauscht.« In der Apotheke sei sie auf Bornemann getroffen, die ihr die Möglichkeit einer begleitenden Betreuung durch die pDL aufzeigte – ein Angebot, das sie dankbar annahm.
»Der Einnahmeplan war sehr hilfreich für mich«, berichtete sie. Während der Einnahme ihres oralen Antitumortherapeutikums sei es ihr mal besser, mal schlechter gegangen. Eine Kennzeichnung mithilfe von Smileys auf dem Dokumentationsbogen half ihr, Veränderungen zu erfassen. Das ist besonders wichtig, da Patienten unter einer oralen Tumortherapie seltener einen Arzt zu Gesicht bekommen als solche, die eine intravenöse Therapie erhalten.
Besonders wertvoll war für die Patientin die Nähe und Unterstützung: »Es ist schön, immer jemanden zu haben, den man fragen kann: Was kann ich tun? Beim Arzt ist der Termin so weit weg. In der Apotheke hatte ich dagegen immer zeitnah eine Ansprechpartnerin. Das hat mir viel Sicherheit gegeben in einer Zeit meines Lebens, in der ich nicht viel Kontrolle hatte.« Sie appellierte an Apotheker, die pDL anzubieten: »Es ist für Patientinnen und Patienten eine ganz tolle Möglichkeit, um durch eine schwere Zeit zu kommen.«