Mit Sport gegen Atemnot |
Christina Hohmann-Jeddi |
27.05.2025 10:30 Uhr |
Bewegungstherapie ist eine wichtige Säule in der Behandlung von COPD. Bundesweit gibt es mehr als 2000 eingetragene Lungensportgruppen. / © Getty Images/Nicolas Hansen
»COPD ist eine Erkrankung der zweiten Lebenshälfte«, sagte Professor Dr. Heinrich Worth, Pneumologe aus Fürth und Vorsitzender der AG Lungensport in Deutschland, Anfang Mai beim Internistenkongress in Wiesbaden. Die chronische Krankheit ist durch respiratorische Symptome wie Atemnot, Husten und Auswurf gekennzeichnet. Sie geht auf eine chronische Entzündung der Atemwege zurück, die letztlich zu einer Obstruktion (Verengung) führt, die nicht mehr reversibel ist.
Die Symptome der Erkrankung können sich plötzlich und deutlich verschlechtern, was als Exazerbation bezeichnet wird. Nach der Symptomlast, der Lungenfunktion und dem Auftreten von Exazerbationen richtet sich die medikamentöse Therapie von COPD-Patienten.
Sträflich vernachlässigt würden in Deutschland aber die nicht medikamentösen Maßnahmen wie Lungensport und Patientenschulung, betonte Worth. So würden nur 10 Prozent der Patienten zum ambulanten Lungensport geschickt, obwohl Bewegungstherapie (über Formular 56) ab mittelschwerer COPD verschrieben werden kann. Bei der Erkrankung entstehe »eine traurige Spirale« aus Atemnot bei Belastung, Vermeidung von Belastung, Abnahme der Kondition, Verschlechterung der Atemnot bei Belastung und so weiter, »bis die Patienten irgendwann nur noch zwischen Bett und Fernsehsessel hin- und herpendeln«, sagte der Mediziner. Dieser Teufelskreis sei mit Bewegungstherapie nachweislich effektiv zu durchbrechen. »Lungensport lindert die Symptome, verbessert die Belastbarkeit, steigert die Lebensqualität und senkt die Mortalität«, so Worth.
Den Effekt von körperlicher Aktivität zeige beispielsweise eine Studie aus dem Jahr 2015, die eine Assoziation zwischen täglicher Schrittzahl und dem Risiko für Krankenhauseinweisungen belegen konnte. Für jede zusätzlichen 1000 Schritte am Tag sank das Risiko um 20 Prozent (»European Respiratory Journal«, DOI: 10.1183/13993003.01699-2014).
Bewegungstherapie könne als Rehabilitationssport (meist stationär), als ambulanter Lungensport in Gruppen oder inzwischen sogar als Webinar eingesetzt werden, berichtete Worth. Bundesweit gebe es mehr als 2000 bei der AG Lungensport registrierte Gruppen, informierte die Organisation vor Kurzem anlässlich ihres 25-jährigen Bestehens.
Trotz der bereits hohen Zahl fordert die AG, dass lokale Angebote noch weiter ausgebaut werden müssen, weil die Patienten wohnortnahen Zugang zum Lungensport benötigten. Auf der Website der AG Lungensport können die nächstgelegenen Lungensportgruppen in einer Datenbank gesucht werden. Menschen, für die der Weg zur nächsten Sportgruppe zu weit ist, können auch wöchentlich an einem Online-Kurs teilnehmen. Inzwischen steige auch die Nutzung von entsprechenden Apps, die zu ambulantem Lungensport anleiten, so Worth.
Auf die Bewegungstherapie ging Professor Dr. Rembert Koczulla, Chefarzt im Fachzentrum für Pneumologie in der Schön Klinik Berchtesgadener Land, beim Internistenkongress genauer ein. COPD-Patienten sollten mindestens dreimal pro Woche Lungensport machen – die Gruppentreffen fänden in der Regel aber nur einmal pro Woche statt. Zunächst sollte dabei die Ausdauer erhöht werden. Koczulla zufolge soll die Intensität dabei im mittleren Bereich liegen. Das entspricht einem Wert von 5 bis 6 auf der Borg-Skala, die die wahrgenommene Anstrengung bei körperlicher Aktivität misst. Bei Patienten mit starker Dyspnoe kann Intervalltraining mit kurzen Belastungsphasen und Pausen dazwischen hilfreich sein.
»Auch Krafttraining darf nicht fehlen«, sagte der Pneumologe. Dieses sollte zwei- bis dreimal pro Woche erfolgen. Es diene dem Muskelaufbau beziehungsweise der Verbesserung der Muskelausdauer.
Koczulla ging auf für COPD-Patienten geeignete Apps genauer ein. Für die Erkrankung gebe es bislang keine Apps, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) zugelassen sind. Allerdings sei seit Kurzem die App »NichtraucherHelden« als DiGA zugelassen, die bei der Raucherentwöhnung unterstütze. Ein Teil der Patienten konnte in einer Studie in die Abstinenz geführt werden (21 Prozent nach sieben Tagen), der Erfolg sei aber nicht sehr nachhaltig (8 Prozent nach sechs Monaten). Die Daten seien »nicht beeindruckend«, die App stelle aber ein weiteres Tool im Werkzeugkasten dar.
Die speziell für die Erkrankung konzipierte App »Kaia COPD« habe vorübergehend eine DiGA-Zulassung gehabt, berichtete Koczulla. Die Applikation umfasst unter anderem Patientenschulung, Anleitung zu Atemtechniken und zum Lungensport – inklusive eines kamerabasierten Motion Coaches, der die Ausführung der Übungen überwacht. Die App sei noch in den App-Stores zu finden und man hoffe, dass sie den DiGA-Status zurückerlange, so Koczulla, der die App mitentwickelt hat. Um die Wirksamkeit nachweisen zu können, sei eine weitere klinische Studie begonnen worden.
»Neben der Bewegung ist die Patientenschulung eine wichtige nicht medikamentöse Maßnahme«, betonte Worth. Dabei seien die Patienten nicht nur über die Erkrankung zu informieren, sondern man müsse ihnen auch das Handwerkszeug geben, Verschlechterungen zu erkennen und darauf zu reagieren, indem sie in gewissem Maß ihre Therapie anpassen, sagte Worth. »Exazerbationen können durch Schulungen um 50 Prozent reduziert werden – das schafft man mit keinem Medikament.« Ein wichtiger Aspekt bei der Schulung sei das Erlernen der korrekten Inhalationstechnik. »Ohne eine gute Inhalationstechnik funktioniert das beste Medikament nicht«, sagte Worth.
Trotz Bedenken gegenüber Treibgasen gelte, dass bei schwerer Obstruktion Dosieraerosole den Pulverinhalatoren vorzuziehen seien. Für die meisten Patienten seien aber auch Pulverinhalatoren gut geeignet. Um die richtige Inhalationstechnik zu vermitteln, hat die deutsche Atemwegsliga für jeden in Deutschland verfügbaren Inhalator Lernvideos produziert (bei Youtube einzusehen). Auch Apotheken können Patienten in der Nutzung ihres Präparats schulen und das als pharmazeutische Dienstleistung abrechnen.
Als weitere nicht medikamentöse Maßnahme kommen bei Menschen mit COPD Schutzimpfungen zum Einsatz. Denn aufgrund der geschädigten Lunge sind die Patienten anfälliger für Infektionen als Menschen ohne COPD. Zudem können Infektionen Exazerbationen triggern. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt COPD-Patienten daher Impfungen gegen Influenza, Pneumokokken und Covid-19. Auch gegen Keuchhusten und das Respiratorische Synzytialvirus (RSV) sollte geimpft werden, da die Erreger die Lungenfunktion weiter verschlechtern und das Fortschreiten der Erkrankung beschleunigen können.