Mit dem Thema Wechseljahre offener umgehen |
»Wechseljahre im Job – Herausforderung für Frauen und Wirtschaft«: Darum ging es bei einem parlamentarischen Frühstück heute in Berlin. / © Bastian Kempf
Etwa neun Millionen Frauen in Deutschland sind in den Wechseljahren. Zwei Drittel von ihnen spürt mittlere bis starke Symptome – beispielsweise körperliche und geistige Erschöpfung, Schlafstörungen, erhöhte Reizbarkeit, depressive Verstimmung und Hitzewallungen. Eine Studie der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) hat ergeben, dass zehn Prozent der befragten Frauen wegen Wechseljahrsbeschwerden früher in Rente gehen wollen. Fast ein Viertel hat deswegen bereits Arbeitsstunden reduziert, und mehr als jede sechste hat ihren Arbeitsplatz gewechselt.
Wie kann sich das ändern? Wie können Politik, Wirtschaft und Medizin Frauen in dieser Lebensphase unterstützen, damit die Unternehmen nicht erfahrene und hochqualifizierte Arbeitskräfte verlieren? Diese Fragen erörterten Vertreterinnen aus Unternehmen und dem Gesundheitswesen auf Einladung des Netzwerks Healthcare Frauen und der Agentur Vita Health Media.
Eingeladen waren auch die Bundestagsabgeordneten Saskia Weishaupt (Grüne), Emmi Zeulner (CSU) und Martina Stamm-Fibich (SPD). Wegen der Turbulenzen nach dem Bruch der Ampelkoalition am Mittwochabend hatten sie jedoch ihre Teilnahme abgesagt.
Nichtsdestotrotz betonte Cornelia Wanke, Vorständin der Healthcare Frauen, dass die Mitglieder des Netzwerks nicht locker lassen werden und sich mit konkreten Forderungen zum Thema auch an die künftige Bundesregierung wenden wollen. Sie rief dazu auf, dass sich alle Teilnehmerinnen der Veranstaltung auf einen Katalog an Empfehlungen verständigen sollten. Grundlage könne der bereits existierende Katalog der Healthcare Frauen sein. Ziel sei, dass das Thema in die Programme sämtlicher demokratischer Parteien sowie in den Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung aufgenommen werde, sagte Wanke.
Die Bestseller-Autorin Miriam Stein informierte über erste Erfolge. So setze sich die Union auf Bundesebene für eine nationale Menopausen-Strategie ein. Über einen entsprechenden Antrag habe im Oktober der Bundestag diskutiert. Die Union habe bereits zugesagt, das Thema Wechseljahre in ihren Regierungsvertrag zu schreiben, sollte sie nach den Neuwahlen im kommenden Jahr ans Ruder kommen. »Darauf werden wir sie festnageln«, kündigte Stein an. Bis 2040 könne weltweit eine Billion US-Dollar mehr Geld erwirtschaftet werden, wenn die »Gender Gap« berücksichtigt würde, beschrieb sie die Bedeutung des Themas.
Andrea Rumler, Professorin für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der HWR Berlin, verwies auf das Projekt MenoSupport. Im Zuge des Projekts führte sie die bereits genannte Studie durch – die erste deutschlandweite Befragung berufstätiger Frauen über die Auswirkungen von Wechseljahresbeschwerden am Arbeitsplatz. »Politikerinnen und Politiker sollten sich dafür einsetzen, dass alle Unternehmen etwas für Frauen in den Wechseljahren tun«, sagte Rumler.
Die Ökotrophologin Susanne Liedtke wies auf die Bedeutung der Prävention hin. Der Stoffwechsel und das Mikrobiom veränderten sich in der Menopause, was zu Beschwerden wie etwa dem Reizdarmsyndrom führen könne. »Wir sollten Wert auf mehr Prävention legen«, forderte sie. Dadurch ließen sich Erkrankungen wie Osteoporose vermeiden oder abmildern. Auch mit einer angepassten Ernährung würde es vielen Frauen besser gehen.
Die Apothekerin, Podcasterin und Journalistin Diana Helfrich informierte, dass die gesetzlichen Krankenkassen pro Versichertem 3,15 Euro für betriebliche Gesundheitsförderung zur Seite legten. Das sei zu wenig, kritisierte sie.
Wie wichtig Prävention insbesondere in der Menopause ist, betonte auch Andrea Galle, Vorständin der Krankenkasse mkk. Von neun Millionen Frauen in den Wechseljahren seien 1,6 Millionen an einem oder mehreren Tagen im Monat krank – das bringe hohe Kosten für die Versichertengemeinschaft mit sich. Ein Problem bestehe darin, dass Symptome oft nicht richtig zugeordnet würden. In der Folge würden Frauen in den Wechseljahren häufig falsch behandelt. »Auch in der Medizin wird das Thema stiefmütterlich behandelt«, kritisierte Galle. »Das müssen wir ändern.«
»Wir können dafür sorgen, dass die Menopause eine Zeit der Stärke ist«, sagte Mandy Mangler, Chefärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Vivantes Klinikum Berlin. Sie setzt sich für eine feministische Frauenheilkunde ein. Es müsse mehr zur Frauenheilkunde geforscht werden. Außerdem sollten die Pharmahersteller frei von Interessen der Fachgesellschaften forschen. »Wir brauchen mehr Geld für Forschung«, forderte auch Cornelia Wanke.
Für einen offeneren Umgang mit dem Thema Wechseljahre in Unternehmen setzt sich Vodafone-Pressesprecherin Ute Brambrink ein. »Wir müssen das Thema aus der Tabuecke holen«, betonte sie. Die Menopause habe auch positive Seiten, man könne gestärkt daraus hervorgehen. Wichtig sei, auch männliche Kollegen und Chefs mit einzubeziehen.
Auch Sevilay Huesman-Koecke von KPMG sprach sich dafür aus, in den Unternehmen das Bewusstsein für das Thema zu schärfen. In größeren Unternehmen gebe es Duschen und die Möglichkeit, sich kurzzeitig zurückzuziehen, wenn es einem nicht gut gehe. Aber viele berufstätige Frauen hätten diesen Luxus nicht. »Unternehmen sollten darauf achten, dass alle Frauen die Freiheit haben, sich kurzzeitig auszuklinken«, sagte Huesmann-Koecke, die sich auch bei den Healthcare Frauen engagiert.