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Corona-Kommission
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Mit Apotheken vulnerable Gruppen erreichen

Insgesamt drei Stunden hat die Enquete-Kommission zur Corona-Pandemie gestern getagt. Auch Apotheken wurden erwähnt. Mit dabei war auf Einladung der Grünen auch der Virologe Christian Drosten, der einer der Berater der Bundesregierung war. 
AutorKontaktAlexandra Amanatidou
Datum 02.12.2025  17:00 Uhr

Sechs Sachverständige haben am Montag erläutert, was aus ihrer Sicht während der Pandemie gut und weniger gut gelaufen ist und wie die Vorsorge für künftige Pandemien aussehen sollte. Zentrale Themen waren der Erhalt des öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD), die Digitalisierung und der erleichterte Datenaustausch. Diskutiert wurde auch, wie die Politik vulnerablen Gruppen in Krisensituationen am einfachsten erreichen kann. Insbesondere der Linken-Politiker Ates Gürpinar stellte viele Fragen dazu.

Es gab auch schwierige Momente während der Sitzung. So wies die Vorsitzende der Kommission, Franziska Hoppermann (CDU), die AfD mehrfach darauf hin, die Gäste ausreden zu lassen und sie nicht zu unterbrechen. Besonders auffällig war, dass die AfD die Gäste aufforderte, mit »Ja« oder »Nein« zu antworten, und sie unterbrach, sobald sie ausführlicher antworten wollten. Außerdem ließ die Partei den Gästen sehr häufig weniger als eine Minute Antwortzeit. Die Partei sorgte auch für eine Unterbrechung der Sitzung, als der Datenanalyst und Publizist Tom Lausen das Buch des schwedischen Epidemiologen Anders Tegnell prominent vor sich auf dem Tisch darstellte und es nicht wegräumen wollte, als Hoppermann ihn dazu aufforderte. Seine Begründung: Er wolle daraus zitieren.

Die AfD stellte besonders viele Fragen an Drosten. Der Charité-Virologe antwortete wiederholt, dass die Fragen der Partei viele Aspekte verwirrend miteinander vermischten. Hoppermann stellte klar, dass Drosten nicht als Zeuge in einem Untersuchungsausschuss, sondern als Experte in der Enquete-Kommission auftritt. Die AfD hatte ursprünglich einen Untersuchungsausschuss gefordert, dafür gab es jedoch keine Mehrheit. Lina Seitzl (SPD) bedankte sich bei Drosten für seine Arbeit während der Pandemie und betonte, dass er polizeilichen Schutz benötige, um sich im Bundestag bewegen zu können.

Drosten: »Das in die Forschung investierte Geld kommt immer zurück«

Der prominente Virologe blickte gestern auf seine Rolle während der Pandemie zurück. Er betonte, dass er sich nicht als Kritiker, sondern als Erklärer der Pandemie verstanden habe. Diese sei eine »Naturkatastrophe« gewesen, für die niemand Schuld trage. Außerdem räumte er ein, dass die Entscheidungen der Regierung unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessengruppen getroffen worden seien und nicht ausschließlich auf Basis seiner Beratung. Die Politik sei damals übrigens nicht nur von Virologen, sondern auch von Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern beraten worden. Er plädierte dafür, dass die Beratungen zwischen Politik und Wissenschaft künftig nachgelesen werden können und transparent sind.

Auf Anfrage des Infektiologe Bernd Salzberger kommentierte der renommierte Drosten, dass das Abwassermonitoring, also die systematische Überwachung von Abwasser auf Infektionserreger, zwar gut funktioniere und grundsätzlich positiv zu bewerten sei, jedoch kein Universalwerkzeug darstelle. Sein Nutzen hänge von den Merkmalen der jeweiligen Pandemie ab.

Drosten steht Forschungsförderungen positiv gegenüber und ist der Meinung, dass sie die Produktion von Impfstoffen in Deutschland unterstützen könnten. »Das in die Forschung investierte Geld kommt immer zurück«, so der Charité-Virologe.

ÖGD erhalten und als attraktiven Arbeitgeber gestalten

Die meisten Sachverständigen konnten sich darauf einigen, dass die Arbeit des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) über das Jahr 2026 hinaus garantiert werden muss. Außerdem müsse er ein attraktiver Arbeitgeber bleiben und über eine Sicherheitsplanung verfügen. Neben dem stationären und dem ambulanten Sektor des Gesundheitswesens ist der ÖGD ein zentraler Akteur für die gesundheitliche Versorgung. Insgesamt stellt der Bund für die Jahre 2021 bis 2026 vier Milliarden Euro für den ÖGD-Pakt zur Verfügung, wie die Bundesregierung mitteilte. Die Finanzierung danach ist noch unklar. Kritiker warnen, dass der ÖGD ohne Anschlussfinanzierung in eine gravierende Unterfinanzierung geraten könnte.

Laut Peter Schäfer, Vorsitzender des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, würden bereits jetzt Menschen mit befristeten Arbeitsverträgen den ÖGD verlassen. Auch Kristina Böhm, Leiterin des Amtes für Gesundheit und Prävention in Dresden, argumentierte für mehr qualifiziertes Personal. Deutschland müsse seine Expertise in diesem Bereich aufrechterhalten, damit das Land funktionsfähig bleibe. Sie warnte, dass circa 40 Prozent der Ärztinnen und Ärzte, die beim ÖGD tätig sind, in den kommenden Jahren in Rente gehen werden. Dies betreffe auch andere Mitarbeitende der Ämter.

Vulnerable Gruppen besser erreichen

Im Fall einer neuen Pandemie sollten alle Bevölkerungsgruppen erreicht werden, sagte Johannes Nießen, kommissarischer Leiter des Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit (BIÖG). Dazu zählen ältere Menschen, junge Menschen mit Vorerkrankungen sowie chronisch Kranke. Auch Menschen aus sozioökonomisch benachteiligten Verhältnissen zählen demnach zu den Vulnerablen. Laut Nießen hatten diese während der Pandemie eine erhöhte Sterbequote.

Denkbare Lösungen wären Testbusse, die zu den Menschen vor Ort fahren würden. Die Angebote sollen sich zudem künftig an den jeweiligen Sprachen der Communities orientieren und kultursensible sein. Schäfer zufolge könnten unterschiedliche Multiplikatoren wie Apotheken oder ambulante Pflegedienste dabei helfen, diese Gruppen schneller zu erreichen.

Mehr Datenschutz und bessere Lösungsstrategien

Schäfer zufolge war ein Problem während der Pandemie, dass sich die damaligen Pandemiepläne vor allem auf Influenza bezogen. Laut Nießen müssen die Pandemiepläne aktualisiert und um modulare Lösungsstrategien ergänzt werden, die Flexibilität und Effizienz vereinen. »Man kann nicht alles wissen, aber man kann aktuell und akut reagieren«, so Nießen.

Peter Tinnemann, der Leiter des Frankfurter Gesundheitsamts, argumentierte ebenfalls, dass es angesichts einer sich wandelnden geopolitischen Lage wichtig sei, Gesundheit als Sicherheitsdimension zu betrachten, Bedrohungen permanent zu bewerten und Fähigkeiten zu schaffen, bevor sie akut benötigt werden.

Tinnemann argumentierte ebenfalls, dass bessere Datensysteme die Grundlage dafür bilden können, Gesundheitsbedrohungen zu identifizieren. Er plädierte für datensichere IT-Systeme mit bundesweit einheitlichen Sicherheitsvorgaben. Im Fall einer Krisensituation sei es wichtig, die Daten aus allen Bereichen schnell zusammenstellen zu können.

Laut Nießen hätten fehlende oder falsche Daten sowie Bürokratie die Steuerung in der Pandemie erschwert. Außerdem hätten der Föderalismus und die unterschiedlichen Strukturen in den Ländern den Informationsaustausch erschwert. Künftig sollen Gesundheitsdaten zeitnah verfügbar sein.

Kritik an die nächtlichen Ausgangssperren

»Während der Pandemie und auch jetzt in der Aufarbeitung werden Grundprinzipien des methodischen Weges von Datenwissens nicht angewendet«, kritisierte Gerd Antes, Mathematiker und Medizinstatistiker. Er mahnte ein kontrafaktisches Denken an, bei dem die Wirksamkeit von Maßnahmen daran gemessen wird, wie sich die Realität ohne diese entwickelt hätte. Es reiche nicht aus, allein auf verhinderte Infektionen und Todesfälle zu schauen; gleichzeitig müssten auch die medizinischen, sozialen, psychischen und wirtschaftlichen Schäden in den Blick genommen werden.  

Die nächtlichen Ausgangssperren während der Lockdowns bezeichnete er beispielhaft als Fehler. Und: »Das Ausbleiben einer Katastrophe wurde als Beleg einer Wirksamkeit von Maßnahmen gedeutet«, was Antes als nicht zulässig beschrieb, »weil der notwendige Vergleich durch eine Behauptung ersetzt wurde«.

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