»Mir fehlt die Fantasie für Honorarkürzungen« |
Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP im Bundestag, hält mit Blick auf die Inflation nicht viel von einer Absenkung des Apothekenhonorars. / Foto: Imago/Christian Spicker
Nach zwei ausgabenintensiven Pandemiejahren stehen die Krankenkassen vor einem milliardenschweren Finanzloch. Dieses muss die Ampel-Koalition nun schließen, auch um größere Beitragssteigerungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu vermeiden. Im März wurde ein erster Vorschlag für eine Sparreform (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz) bekannt, in dem insbesondere der Pharmasektor und die Apotheken zur Kasse gebeten werden sollten. Das Papier sah für Apotheken eine Erhöhung des Kassenabschlags auf 2 Euro sowie eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel vor. Beide Maßnahmen kombiniert würden den Apotheken Mindereinnahmen von bis zu 490 Millionen Euro einbringen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zog das in den Ressorts noch unabgestimmte Papier jedoch wieder zurück.
Seitdem wartet das gesamte Gesundheitswesen auf einen ersten, wirklichen Entwurf der Sparreform. Beim gesundheitspolitischen ABDA-Talk »Lass uns reden!« erklärte der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Andrew Ullmann, mit Blick auf den vorangegangenen inoffiziellen Entwurf, dass er Honorarkürzungen für Apotheken nicht begrüßen würde. »Honorarkürzungen verursachen Unzufriedenheit. Gerade jetzt während der Inflation habe ich keine Fantasie, an welchen Stellen wir Kürzungen vornehmen könnten«, sagte er. Der FDP-Politiker stellte aber auch fest, dass er nichts versprechen könne, weil man solche Punkte innerhalb der Koalition natürlich abstimmen müsse. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening nutzte die Gelegenheit, um ihre Ablehnung gegenüber der Erhöhung des Kassenabschlags auszudrücken. »Bei den Apotheken ist nichts zu holen, wir sind schon seit Jahren abgekoppelt von jeglichen Lohnentwicklungen – pro Tag schließt im Schnitt eine Apotheke«, so die ABDA-Präsidentin.
Dass das BMG unter Professor Karl Lauterbach (SPD) den Entwurf immer noch nicht vorgelegt hat, gefällt in der Ampel-Koalition offenbar nicht allen Gesundheitsexperten. Ullmann hob zwar hervor, dass Lauterbach als Minister schon viele »Brücken zwischen den Parteien« gebaut habe. Aber man müsse langsam anfangen, die im Koalitionsvertrag beschlossenen Punkte umzusetzen. »Die Uhr tickt«, sagte er wörtlich und wies darauf hin, dass bereits ein dreiviertel Jahr in der Legislaturperiode vergangen sei. Ullmann versprach zudem, die Koalition wolle keine reine Sparpolitik betreiben, sondern verfolge bei allen Gesetzgebungsverfahren auch strukturpolitische Ziele. Als Beispiel nannte der FDP-Politiker die geplante Krankenhausreform, mit der die Koalition unter anderem dafür sorgen will, dass die Kliniken weniger Behandlungen durchführen, die eigentlich im ambulanten Sektor möglich wären.
Ullmann und Overwiening diskutierten zudem ausführlich über den Ärzte-Widerstand gegen die pharmazeutischen Dienstleistungen. Ullmann, der selbst Arzt ist und vor seinem Bundestagsmandat als Professor für Infektiologie an einer Klinik arbeitete, zeigte in dieser Frage ein gewisses Verständnis für seine Kollegen, ermahnte sie aber auch zum Umdenken. »Ich kann die Denke grundsätzlich verstehen, weil der Ärztevorbehalt schon einen Sinn hat. Im Pharmaziestudium werden wenige klinische Inhalte vermittelt.« Die Ärzteschaft sei in Deutschland eine sehr konservative Gruppe, die man mitnehmen müsse. Er persönlich wünsche sich aber, dass die Mediziner verstehen, dass von den Dienstleistungen keine Gefahr für sie ausgehen. Ganz im Gegenteil: »Wir können so eine bessere Versorgung gewährleisten und für Entlastung sorgen – das werden die Ärzte auch mit der Zeit verstehen.«
Overwiening ergänzte, dass man derzeit an einer Novellierung der Approbationsordnung arbeite. Das Studium werde die angesprochenen Inhalte aufnehmen, die Studienzeit werde verlängert und die Ausbildung so zeitgemäßer, sagte die ABDA-Präsidentin. Ullmann antwortete, dass die Erneuerung der ärztlichen Approbationsordnung gerade wegen einer Verlängerung des Studiums derzeit zu einem großen Finanz-konflikt zwischen Bund und Ländern führe, weil offen sei, wer die nötigen 400 bis 700 Millionen Euro aufbringen müsse.
Schließlich ging es auch um die von der Ampel-Koalition geplante Legalisierung von Cannabis. Zur Erinnerung: Die FDP hatte sich auch im Wahlkampf mehrfach dafür ausgesprochen, dass Cannabis künftig in Apotheken kontrolliert abgegeben wird. Overwiening wies darauf hin, es sei richtig, dass die Apotheken heute schon Medizinal-Cannabis abgeben. Allerdings habe sie als Heilberuflerin Bedenken, dass die Abgabe zu Genusszwecken in der Apotheke angebracht sei. Ullmann blieb allerdings bei der Position seiner Partei: »Wir suchen Möglichkeiten, wo wir die Qualität der Abgabe garantieren können – das kann die Apotheke!« Er teile zwar auch die Sorge der Pharmazeuten als Heilberufler, wolle sie gleichzeitig aber beruhigen. Schließlich könnten die Apotheken ja bei der Cannabis-Abgabe auf die Gesundheitsgefahren des Drogenkonsums hinweisen.