Millionenaffäre um Herzmedikament Ivabradin |
| Melanie Höhn |
| 29.10.2025 15:00 Uhr |
Mehrere europäische Herzspezialisten sollen laut der Recherche Zuwendungen eines Pharmaunternehmens bekommen haben. / © Imago Images/Zoonar
Ein dänisches Rechercheteam hat schwere Vorwürfe gegen führende Herzspezialisten in Europa publik gemacht. Mehrere bekannte Kardiologen sollen hohe Geldsummen von einem Pharmakonzern erhalten haben, um das Herzmedikament Ivabradin trotz bestehender Zweifel an dessen medizinischem Nutzen positiv darzustellen. Das berichtet das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF).
Das Medikament Ivabradin (Procoralan®) ist in Deutschland bereits seit 2006 auf dem Markt. Zugelassen ist es zur symptomatischen Behandlung der chronischen stabilen Angina pectoris sowie bei chronischer Herzinsuffizienz jeweils unter bestimmten Bedingungen. Anders als vom Hersteller ursprünglich gehofft wirke sich der Arzneistoff jedoch nicht positiv auf die Prognose aus. In der SIGNIFY-Studie stieg die Zahl kardiovaskulärer Todesfälle und nicht tödlicher Herzinfarkte sogar in einer Untergruppe leicht an. Im Jahr 2014 hatte der Pharmakovigilanz-Ausschuss PRAC der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) Maßnahmen empfohlen, um das Risiko für Herzprobleme unter Einnahme des Antiarrhythmikums Ivabradin zu minimieren.
Das SRF bezieht sich auf Recherchen des dänischen Fernsehens, die vom Schweizer Sender RTS ausgestrahlt wurden. Demnach habe die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) das Medikament unter fragwürdigen Bedingungen empfohlen: Der frühere ESC-Präsident Kim Fox soll vom französischen Pharmaunternehmen Servier Zahlungen in Höhe von fast 84 Millionen Schweizer Franken (rund 90 Millionen Euro) erhalten haben.
Auch andere prominente Herzspezialisten sollen laut der Recherche Zuwendungen von Servier bekommen haben. Unter ihnen befindet sich Fox’ Nachfolger Roberto Ferrari, der zwar bestreitet, Millionenbeträge eingenommen zu haben, aber keine genauen Angaben zu den erhaltenen Geldern machen will.
Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) hat nach den Enthüllungen Konsequenzen gezogen und den früheren Präsidenten Kim Fox dauerhaft ausgeschlossen. Laut einer Mitteilung der Organisation kam das interne Ethikkomitee zu dem Schluss, dass Fox gegen zentrale ethische Grundsätze der Gesellschaft verstoßen habe, wie das SRF berichtet.
Trotz der Vorwürfe hält die ESC an ihren bisherigen Empfehlungen für das Medikament fest. Diese seien, so die Gesellschaft, das Ergebnis eines strengen wissenschaftlichen Prüfverfahrens, an dem mehr als 20 Expertinnen und Experten beteiligt gewesen seien. Mehr als 100 Fachleute aus rund 50 Ländern hätten die Ergebnisse zusätzlich begutachtet. Man betone, dieser Prozess sei unabhängig von jeglichem industriellen Einfluss erfolgt.
Nach eigenen Angaben hat die ESC ihre Regeln zum Umgang mit Interessenkonflikten inzwischen verschärft. Damit wolle man künftig verhindern, dass Personen mit potenziellen finanziellen Verflechtungen an wissenschaftlichen Publikationen oder Leitlinien mitwirken.
Zugleich würdigt die Organisation die Rolle des investigativen Journalismus, der zur Rechenschaft von Institutionen beitrage. Man sei, so heißt es weiter, bestrebt, aus den jüngsten Ereignissen zu lernen und die eigenen Strukturen in Zukunft weiter zu verbessern.