Mikroplastik bedroht unsere Gesundheit |
Theo Dingermann |
23.04.2024 16:00 Uhr |
Auch Plastikmüll in der Umwelt zerfällt nach vielen Jahren zu Mikro- und Nanopartikeln. / Foto: Imago Images/Westend61
Der Plastikberg ist mittlerweile weltweit auf mehr als 6 Milliarden Tonnen angewachsen. Dies nimmt das Wissenschaftsjournal »Nature Medicine« zum Anlass, in der aktuellen Ausgabe in einem Editorial auf das Problem warnend hinzuweisen. »Wir müssen verstehen, wie sich dies auf die menschliche Gesundheit auswirkt«, heißt es in der Überschrift.
Dass dies keine leichte Aufgabe ist, macht bereits die Tatsache deutlich, dass mehr als 10.000 Chemikalien, darunter bekannte Karzinogene und endokrine Disruptoren, in Kunststoffen enthalten sind. Diese finden ihren Weg in den menschlichen Körper vor allem in Form winziger Partikel, die je nach Durchmesser als Mikroplastik oder als Nanokunststoffe (MNP) bezeichnet werden.
MNP sind mittlerweile überall – in den Ozeanen, in der Luft, in Kosmetik- und Körperpflegeprodukten und in Nahrungsmitteln. Wie gefährlich diese Partikel sind, zeigen unzählige Studien. Erst kürzlich wurde MNP in Plaques gefunden, die die Gefäße verstopfen.
Zwar würden die biologischen Auswirkungen von MNP seit Jahrzehnten erforscht, heißt es in dem Editorial, aber viele Fragen bleiben bisher unbeantwortet. Daher müsse die Forschung zu diesem Thema intensiviert und schlüssig geklärt werden, welche Mengen von MNP durch Einnahme, Inhalation oder Hautexposition absorbiert werden und wie viele MNP sich im Laufe der Lebensdauer einer Person in verschiedenen Geweben ansammeln. Zudem seien mechanistische Studien erforderlich, um zu verstehen, wie MNP beispielsweise das Immunsystem oder das Mikrobiom stören, oder welche zytotoxische Wirkungen sie entfalten.
Viel zu zögerlich reagiere die Politik. Zwar hat die EU-Kommission im September 2023 sowohl den Verkauf von Mikroplastik als solchem untersagt als auch den von Produkten, denen Mikroplastik bewusst zugesetzt wurde. Auch die UN-Mitgliedstaaten haben einstimmig den Beschluss gefasst, die weltweite Plastikkrise zu stoppen und ein Abkommen zur Beendigung der globalen Plastikverschmutzung zu verhandeln. Ob ein solches Abkommen allerdings tatsächlich zustande kommt, ist noch ungewiss.
Derweil berichten Forschende um Dr. Ovokeroye Akpojevwe Abafe von der Brunel University London in Uxbridge, Vereinigtes Königreich, über ein weiteres Problem, das durch Mikroplastik verursacht wird. Sie zeigen an einem dreidimensionalen Modell des menschlichen Hautäquivalents (3D-HSE), dass toxische Zusatzstoffe von Mikroplastik die Haut penetrieren und so in den Blutkreislauf gelangen können. Bei diesen Zusatzstoffen handelt es sich um polybromierte Diphenylether (PBDE), mit denen Plastikprodukte zur Reduktion der Brennbarkeit behandelt werden.
Die Forschenden zeigen, dass generell das Eindringen von PBDE aus Mikroplastikpartikeln in die Haut durch den Grad der Bromierung beeinflusst wird und dass höher bromierte BDE im Hautgewebe akkumulieren. Das Penetrationsvermögen der PBDE aus Mikroplastikpartikeln war unabhängig vom Plastiktyp, erhöhte sich aber, wenn die Haut stark verschwitzt war. Ihre Ergebnisse publizierten die Forschenden im Wissenschaftsjournal »Environment International«.
Zwar sind zwischenzeitlich kommerzielle PBDE-Formulierungen in Europa und anderen Teilen der Welt verboten. Dennoch ist davon auszugehen, dass Penta-, Okta- und Deka-BDE-Gemische aufgrund ihrer bekannten Umweltpersistenz noch Jahrzehnte vorhanden sein werden.