Mikrobiom kann an Abstoßungsreaktion beteiligt sein |
Theo Dingermann |
11.04.2025 12:30 Uhr |
Nieren sind die am häufigsten transplantierten Organe. Die Ursachen für eine Abstoßung eines Spenderorgans sind komplex und oft nur unzureichend verstanden. / © Getty Images/sasirin pamai
Laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation wurden im Jahr 2023 insgesamt 1514 Nieren nach postmortaler Organspende transplantiert. Für Patienten mit fortgeschrittenem Nierenversagen ist eine Nierentransplantation nach wie vor die beste Behandlungsoption – vorausgesetzt, das transplantierte Organ wird nicht abgestoßen. Die Ursachen für eine Abstoßung eines Transplantats sind komplex und oft nur unzureichend verstanden.
In einer prospektiven Multicenterstudie mit 217 nierentransplantierten Patienten untersuchte nun ein Team um Dr. Johannes Holle and Rosa Reitmeir am Experimental and Clinical Research Center der Charité und des Max-Delbrück-Centrums in Berlin, inwieweit das Mikrobiom der Patienten an der Transplantatabstoßung beteiligt ist. Ihre Ergebnisse publizierten die Forschenden im Wissenschaftsjournal »American Journal of Transplantation«.
Mehr als 560 Stuhlproben der 217 eingeschlossenen Patienten untersuchten die Forschenden. Diese wurden den Patienten vor der Nierentransplantation sowie 0 bis 3 Monate , 3 bis 12 Monate, 12 bis 24 Monate und über 24 Monate nach der Nierentransplantation entnommen. Dabei zeigte sich, dass tatsächlich Veränderungen im intestinalen Mikrobiom einer Transplantatabstoßung vorausgehen können.
So beobachteten die Forschenden, dass sich nach der Transplantation das Mikrobiom zunächst sukzessive normalisiert. Die α-Diversität des Mikrobioms nimmt zu, und es reetablieren sich Bakterien, die kurzkettige Fettsäure (SCFA) produzieren, darunter Faecalibacterium und Roseburia. Allerdings zeigte sich auch, dass dieser Prozess bei Patienten mit nachfolgender Abstoßung deutlich gestört war.
Störfaktoren, wie Alter, Geschlecht und Zeit nach Transplantation minimierten die Forschenden durch ein sogfältiges Matching der Paare aus den beiden Gruppen, die ihr Organ behielten und die das Organ durch eine Abstoßungsreaktion verloren.
Die Analyse der präabstoßungsspezifischen Mikrobiomprofile zeigte eine signifikant reduzierte mikrobielle Diversität sowie eine Abnahme wichtiger SCFA-Produzenten. Gleichzeitig war eine Zunahme potenziell pathogener und typischerweise mit einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) assoziierter Taxa wie Streptococcus und Fusobacterium erkennbar.
Funktionell ließen sich durch sogenannte PICRUSt2-basierte Metagenom-Prognosen, die auf rechnergestützten Vorhersagen der funktionalen Zusammensetzung eines Metagenoms unter Verwendung von Markergendaten und einer Datenbank mit Referenzgenomen basieren, und auch durch qPCR-basierte Enzymanalysen eine verminderte mikrobielle Kapazität zur Synthese von Butyrat und Propionat vor der Abstoßung nachweisen.
Zudem belegten Langzeitdaten, dass sich das Mikrobiom nach durchlaufener Abstoßung tendenziell, jedoch nicht vollständig, wieder in Richtung des »normalen« Transplantations-Mikrobioms zurückentwickelt. Dies legt nahe, dass ein persistentes »CKD-ähnliches« Mikrobiom auch nach einer Transplantation das Risiko einer chronischen Abstoßung erhöhen könnte.
Die Mikrobiomveränderungen korrelierten nicht mit der Transplantatfunktion zum Zeitpunkt der Probennahme, was für eine direkte immunmodulatorische Rolle des Mikrobioms spricht. Die Arbeit liefert damit starke Hinweise, dass das intestinale Mikrobiom nicht nur ein Biomarker, sondern ein aktiver Modulator der Immunhomöostase nach Nierentransplantation ist.
Therapeutische Strategien, die auf eine Wiederherstellung der SCFA-Produktion etwa durch Gabe von Prä- oder Postbiotika zielen, könnten das Risiko für Abstoßungen senken.