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Arzneimittel für Kinder kaum untersucht

02.06.2003  00:00 Uhr
Pharmacon Meran 2003

Arzneimittel für Kinder kaum untersucht

Bei mehr als 10 Prozent der hospitalisierten Kinder treten unerwünschte Arzneimittelwirkungen auf, die zu einem großen Teil mit einem Off-label-use korrelieren, erklärte Dr. Matthias Schwab vom Dr.-Margarete-Fischer-Bosch-Institut für klinische Pharmakologie in Stuttgart.

Laut Studien fehlen bei bis zu 80 Prozent der Arzneimittel, die im stationären Bereich bei Kindern angewendet werden, evidenzbasierte Daten für diese Altersgruppen. So vermisse er in der Regel entsprechende Dosierungsvorschläge, Informationen über unerwünschte Arzneimittel- oder Wechselwirkungen sowie pädiatrische Formulierungen.

Kinder unterscheiden sich in ihrer Physiologie und somit auch in Pharmakokinetik und –dynamik von Arzneistoffen deutlich von Erwachsenen. Bei der Dosisfindung müsse der Pädiater nicht nur die Körpergröße beachten, sondern auch die Proportionen des Organismus und seiner Organe. Zum Beispiel wiegt die Leber als wichtiges Stoffwechselorgan bei einem Säugling im Verhältnis zum Körpergewicht doppelt so viel wie bei einem Erwachsenen. Auch der Anteil des Gesamtkörperwassers liegt bei der Geburt noch deutlich höher, was die Verteilung im Organismus beeinflusst.

 

Bezeichnung

Alter Frühgeborenes
Neugeborenes
Kleinkind
Kind
Jugendlicher Geburt vor kalkuliertem Termin
0 bis 27 Tage
28 Tage bis 23 Monate
2 Jahre bis 11 Jahre
12 bis 18 Jahre

 

Die Resorption von Arzneistoffen differiert je nach physiologischem Entwicklungsstatus, erläuterte Schwab. So nehmen Kinder zum Beispiel Theophyllin, aber auch Desinfektionsmittel sehr gut über die Haut auf. Andere Arzneistoffe werden jedoch auf Grund der geringeren Acidität im Magen oder noch fehlender Enzyme in der Darmmukosa schlechter resorbiert.

Hat das Medikament den Blutkreislauf erreicht, stellt sich die Frage, ob und wie schnell es verstoffwechselt und eliminiert wird. Denn auch die metabolisierenden Enzyme des Cytochrom-P-450-Systems und der Kopplungsvorgänge der Phase II unterliegen einem Reifungsprozess. Gerade im ersten Lebensjahr sind viele der beteiligten Enzyme noch nicht ausreichend entwickelt, um den kleinen Körper zu entgiften. So bildet sich zum Beispiel bei Säuglingen nach Chloramphenicol-Gabe eine toxische Plasmakonzentration. Das nach der grauen Haut der Betroffenen benannte Grey-Syndrom kann zu Atemdepression und kardiovaskulärer Depression führen.

Diese und andere schwer wiegende Nebenwirkungen verdeutlichen die Notwendigkeit von Studien bei Kindern. Der Referent machte darauf aufmerksam, dass die Untersuchungen sich nicht auf die Kontrolle der Blutspiegel beschränken dürften. Pharmakodynamische Aspekte müssen ebenso berücksichtigt werden, da auch Rezeptoren einer Maturation unterliegen. Säuglinge weisen etwa nach Morphingabe höhere Blutspiegel auf als Erwachsene, da sie noch nicht ausreichend glucuronidieren können (dies ist auch Ursache der Neugeborenengelbsucht). Dennoch treten die Schmerzen bei den Jüngsten schon früher wieder auf, sie benötigen auf Grund fehlender Rezeptoren eher eine neue Dosis.

Die Arzneistoffe Theophyllin, Digoxin und Gentamycin müssen bei kleinen Kindern höher dosiert werden als bei Erwachsenen; generelle Regeln zum Berechnen einer kindgerechten Dosierung gibt es jedoch nicht. Gut kontrollierte Studien, die nach Untersuchungen an erwachsenen Probanden direkt in der Phase II einsetzen, werden dringend gebraucht, um eine unnötige Gefährdung der Kinder zu vermeiden.

 

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