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Hilfen bei kniffligen Rezepturen

02.06.2003  00:00 Uhr
Pharmacon Meran 2003

Hilfen bei kniffligen Rezepturen

Der weitaus überwiegende Teil der Rezepturen, die ärztlich verordnet und in der Apotheke angefertigt werden, sind frei komponiert. Nur die wenigsten folgen standardisierten Vorschriften.

„Die Standardisierung sichert die Rezepturqualität“, betonten Dr. Holger Reimann und Rosemarie Eiffler-Bollen vom Pharmazeutischen Laboratorium des NRF (Neues Rezeptur-Formularium) in Meran. In ihrem Seminar über dermatologische Rezepturen in NRF und Apothekenpraxis lernten und diskutierten die Teilnehmer anhand zahlreicher Beispiele, welche Tücken scheinbar einfache, nicht standardisierte Anweisungen bergen können.

Eindringlich mahnten die Referenten, die Qualitätssicherung ernst zu nehmen. Die pharmazeutische Industrie betrachte die Herstellung in der Apotheke zumeist sehr kritisch, und die Kollegen müssten sich bewusst sein, dass sie Arzneimittel in Verkehr bringen und keine Kosmetika.

Leicht nachvollziehbar ist, dass bedenkliche Rezepturen tabu sind und Fertigarzneimittel, die wegen ruhender oder widerrufener Zulassung außer Handel sind, im Apothekenlabor nicht „nachgebaut“ werden dürfen. Für intensivere Diskussionen sorgte der Hinweis Eiffler-Bollens, dass für die Arzneimittelherstellung auch Kosmetikgrundlagen, aber nur mit nachgewiesener pharmazeutischer Qualität verwendet werden dürfen. Kann der Hersteller kein Prüfzertifikat liefern, dürfe die Rezeptur nicht angefertigt werden. Trotz des Unmuts einiger Kollegen: Die Apothekenbetriebsordnung fordert den Qualitätsnachweis.

Aus vielfältigen Gründen verordnen Ärzte eine Rezeptur statt eines Fertigarzneimittels. Die häufigsten Motive dürften die Auswahl einer speziellen Grundlage, die Variation von Wirkstoffkonzentration und Verordnungsmenge, der Verzicht auf bestimmte Hilfsstoffe wie Farb-, Duft- oder Konservierungsstoffe oder die Kombination bestimmter Wirkstoffe sein. In jedem Fall hat der Apotheker darauf zu achten, dass Wirkstoff und Grundlage zueinander „passen“ und die Zubereitung chemisch, physikalisch und mikrobiologisch stabil ist. Ist dies nicht gegeben, müsse er dem Arzt Vorschläge für eine Modifikation der Rezeptur machen. Will der Arzt die obere Richtkonzentration für einen Wirkstoff überschreiten, sollte dies auf dem Rezept kenntlich sein; andernfalls müsse der Apotheker nachfragen, um gefährliche Fehler zu vermeiden, betonte Reimann.

Dies gilt ebenso, wenn der Arzt traditionelle Rezepturformeln mit obsoleten oder negativ monographierten Bestandteilen verwendet. Zur Bewertung könne der Apotheker die AMK-Liste bedenklicher Stoffe (PZ 14/2003, Seiten 6 und 7) und die NRF-Hinweise im Internet heranziehen oder bei AMK (Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker) oder NRF nachfragen. Bei „zweifelhaften“ Rezepturen sollte der Apotheker unbedingt dokumentieren, was die Rücksprache mit dem Arzt ergeben hat.

Mitunter soll die Rezeptur einen Therapieversuch im Rahmen des Compassionate-use oder Off-label-use ermöglichen, sagte Eiffler-Bollen. So werde Diltiazem-Hydrochlorid in wasserhaltiger hydrophiler Salbe zur Behandlung chronischer Analfissuren eingesetzt. Die Rezeptur könne auch therapeutische Lücken schließen, zeigte sie am Beispiel eines Lavasept-Gels. Schließlich ist die Rezepturanfertigung häufig nötig, wenn eine lokale Stufen-, Intervall- oder Tandemtherapie, zum Beispiel mit Glucocorticoiden, realisiert werden soll.

Kritisch betrachteten die Referenten die Herstellung von „Lifestyle-Medikamenten“. Die lokale Anwendung eines Testosteron-Gels könne im Einzelfall sinnvoll sein bei genitalen Lichen sclerosus et atrophicus oder einer Phimose. Keine medizinische Indikation liegt vor, wenn es um eine Cellulite oder ein „Aging-male-Syndrom“ geht.

Tipp der Experten: Der Apotheker sollte – wann immer möglich - auf eine standardisierte oder wenigstens analoge Rezepturvorschrift zurückgreifen. Eine wichtige Aufgabe sei es zudem, Ärzte über solche Vorschriften zu informieren. Das NRF-Team arbeite weiter an der Standardisierung neuer Rezepturen, um Nischen vor allem in Dermatologie, Pädiatrie, HNO- und Zahnmedizin zu besetzen. Oberstes Ziel sei es, die Qualität der Apothekenrezeptur sicherzustellen.

 

Literatur aus dem Govi-Verlag

  • Neues Rezeptur-Formularium (NRF).
  • Tabellen für die pharmazeutische Praxis.
  • Standardisierte Rezepturen (NRF/SR) 2001.

Antworten zu häufig gestellten Fragen zu Rezepturproblemen unter: www.pharmazeutische-zeitung.de oder www.govi.de (Rubrik DAC/NRF anklicken)

Sie können die Bücher auch online bestellen: www.govi.de

 

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