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Ein entstellendes Krankheitsbild

02.06.2003  00:00 Uhr
Pharmacon Meran 2003

Ein entstellendes Krankheitsbild

„Acne vulgaris ist eine Erkrankung, die den Betroffenen schwere Bürden auferlegt“, sagte Professor Dr. Christoph Luderschmidt, Hautarzt und Allergologe aus München. In einer Gesellschaft, die alles am perfekten Aussehen misst, stehen Aknepatienten unter starkem Druck. Charakteristisch für die Erkrankung ist die fettige, ölige, großporige Haut der Betroffenen – die Talgproduktion ist besonders hoch.

Ort der Talgproduktion ist der Talgdrüsenfollikel, der in ein Läppchen und einen Ausführungsgang, das so genannte Infundibulum, gegliedert ist. Bei Aknepatienten teilen sich die Mutterzellen (Sebozyten) am Rand der Talgdrüsenläppchen besonders schnell, doppelt so schnell wie bei Gesunden, weshalb die Läppchen stark vergrößert sind, erklärte Luderschmidt. Außerdem ist die Talgsynthese in diesen Zellen deutlich erhöht und der Ausführungsgang erweitert, wodurch die grobporige Struktur der Haut zustande kommt.

Aknepatienten neigen zur Bildung von Komedonen. Diese Mitesser, neudeutsch auch „Blackheads“ genannt, entstehen dadurch, dass die Keratinozyten der Epidermis, die das Infundibulum auskleiden, Horn produzieren und in den Gang abgeben. Früher nahmen Mediziner an, dass diese Hornablagerungen den Ausführgang des Talgdrüsenfollikels verstopfen und somit den Abfluss des Talgs verhindern, wodurch Pickel entstehen. „Diese Vorstellung ist zwar einleuchtend, hat aber mit der Pathologie nichts zu tun“, kritisierte Luderschmidt. Wenn die Komedonen die Ausführgänge wirklich verstopften, müssten Aknepatienten stark trockene Haut haben, erklärte der Referent. Vielmehr sind die Hornlamellen im Mitesser locker, parallel aufgereiht und für den Talg durchlässig.

Die Komedonen spielen allerdings aus einem anderen Grund eine wichtige Rolle bei der Akne: Sie bieten im unteren Teil des Infundibulums einen idealen Nährboden für Propionibakterium acne. Die anaeroben, gramnegativen Stäbchen gehören zur Standardflora der Haut, kommen also bei jedem Menschen vor. Wenn sie allerdings in einen Talgdrüsenfollikel hineingelangen, führen sie zu den typischen Entzündungen. Bei Aknepatienten kommen somit drei Dinge zusammen: eine stark erhöhte Talgsynthese, eine Neigung zur Komedonenbildung und die Besiedlung des Infundibulums mit Propionibakterien.

Daher ergeben sich für die Therapie der Akne verschiedene Ansätze. So kann zum Beispiel die Talgsynthese gedrosselt werden, die unter hormoneller Kontrolle steht. Neben Testosteron stimuliert vor allem Dihydrotestosteron (DHT), das durch Reduktion von Testosteron durch die 5a-Reduktase entsteht, die Talgproduktion. Da Finasterid überwiegend die für die Haut irrelevante Isoform des Enzyms hemmt, ist es für die Aknetherapie ungeeignet.

Frauen mit Akne weisen viel freies Androgen auf. Für die Therapie haben sich orale Kontrazeptiva durchgesetzt, wobei die „einfache“ Pille meist ausreicht, erklärte Luderschmidt. Nur in schweren Fällen sollte ein Präparat mit einem androgen wirksamen Gestagen wie Cyproteronacetat, Chlormadinonacetat oder Dienogest ausgewählt werden.

Bei einer Komedonen-Akne reicht oft eine sorgfältige Aknetoilette. Ansonsten werden Schälmittel eingesetzt, die die Mitesser auflösen und außerdem die Proliferation der Keratinozyten senken. Goldstandard ist Tretinoin, sagte Luderschmidt. Bei entzündlichen Formen sei Benzoylperoxid angezeigt, das außer der komedolytischen noch eine antibakterielle und antientzündliche Wirkung besitzt.

Bei der papulo-pustulären Form der Akne kommen Antibiotika zum Einsatz, wobei systemisch verabreichte Tetrazykline am besten wirksam seien. Minocyclin habe das breiteste Wirkspektrum gegen Propionibakterien und sei deswegen das Mittel der ersten Wahl, so der Referent. Vom Einsatz von Erythromycin in der Aknetherapie riet er völlig ab, da die Substanz zu den zehn wichtigsten Wirkstoffen weltweit zählt und man nicht unnötig Resistenzen züchten sollte.

Bei besonders schweren Akneformen ist eine Behandlung mit 13-cis-Tretinoin (Isotretinoin) angezeigt. Das orale Präparat hemmt die Talgproduktion und wirkt komedolytisch, wodurch den Bakterien die Lebensgrundlage entzogen wird. 70 bis 85 Prozent der Patienten sind nach der Therapie bleibend geheilt. Die Therapie ist allerdings nicht ganz einfach und gehört in die Hand eines erfahrenen Hautarztes, sagte Luderschmidt. „Die Patienten spüren die Nebenwirkungen jede Minute, sie haben Nasenbluten, trockene, rissige Haut, trockene Augen, können keine Kontaktlinsen mehr tragen und keinen Leistungssport machen.“ Wegen der hohen Teratogenität des Wirkstoffs ist er in Deutschland für Frauen im gebärfähigen Alter absolut kontraindiziert.

 

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