Mehr Verantwortung für US-Apotheken? |
Jennifer Evans |
13.07.2023 14:30 Uhr |
Das Gesundheitssystem in den Vereinigten Staaten könnte viel stärker von den Apotheken profitieren als es jetzt der Fall ist. Dafür braucht es aber klare Vorgaben. / Foto: Adobe Stock/Stuart
Voraussichtlich im Dezember 2024 endet für die mehr als 67.000 Apotheken in den USA die Sondergenehmigung zur Durchführung von Covid-19-Tests und -Impfungen. Doch sie könnten im Anschluss weitere Aufgaben für die Gesundheitsversorgung übernehmen. Allerdings sind dafür sind klare Regeln nötig. Das »JAMA Health Forum« zählt vier klinische Bereiche auf, in denen das öffentliche Gesundheitswesen von der Expertise der Pharmazeutinnen und Pharmazeuten profitieren könnte.
Als erstes nennen die Autoren die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) bei einem möglichen HIV-Kontakt. Denn nur ein Viertel der 1,2 Millionen US-Bürger, die davon profitieren könnten, erhielten im Jahr 2020 ein Rezept dafür. Nationale Anstrengungen, PrEP flächendeckend in Apotheken verfügbar zu machen, könnte demnach das Ende der HIV-Epidemie beschleunigen. In Kalifornien etwa dürfen Apotheken einen PrEP-Vorrat von bis zu 60 Tagen ohne Rezept abgeben und zehn weitere US-Staaten erlauben sogar eine dauerhafte Abgabe an Betroffene.
Auch bei der Diagnose und Behandlung von Bluthochdruck-Patienten könnten die Apotheken einen Beitrag leisten. Denn nur bei einem Viertel der US-Bürger mit Bluthochdruck sei dieser unter Kontrolle, heißt es. Erste Modellprojekte hätten aber bereits gezeigt, dass eine Unterstützung aus der Apotheke das allgemeine Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen reduzieren kann.
Darüber hinaus könnten die US-Apotheken eine größere Rolle bei der Betreuung von Suchtpatienten spielen. In den Vereinigten Staaten sterben jedes Jahr mehr als 100.000 Menschen an einer Überdosis. Aber weniger als einer von fünf Menschen, die Opioide konsumieren, erhalten auch eine medikamentöse Behandlung, die das Risiko einer Überdosierung um mindestens 50 Prozent oder gar mehr verringern könnte. Künftig könnten die Offizinen etwa den Opioidantagonisten Naloxon sowie schmerzlindernde Behandlungen anbieten.
In der Vergangenheit haben sich bereits einige Apothekenorganisationen zusammengetan, um Toolkits für die Gesundheit von Müttern zusammenzustellen. Diese unterstützen unter anderem Präventionsangebote und bieten Dienstleistungen während der Schwangerschaft und nach der Geburt an. Die US-Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration befürwortete vor Kurzem außerdem die rezeptfreie Abgabe von oralen hormonellen Verhütungsmitteln. In 20 Bundesstaaten ist es Vor-Ort-Apotheken zudem erlaubt, solche Mittel zu verschreiben.
Damit die US-Apotheken in Zukunft aber mehr Verantwortung bekommen, müsste der Gesetzgeber zunächst ihr Tätigkeitsspektrum neu bewerten und dann entscheiden, welche Aufgaben die Pharmazeutinnen und Pharmazeuten allein oder in Zusammenarbeit mit Ärzten oder anderen Gesundheitsberufen ausüben könnten.
In einigen Bereichen wie beispielsweise Nichtraucher- oder Diabetes-Programmen haben die US-Apotheken bereits mehr Verantwortung übernommen. Allerdings sind einige Ärzte und zum Teil auch Angehörige anderer Gesundheitsberufe entschieden gegen jede Ausweitung des pharmazeutischen Tätigkeitsbereichs. Befürworter argumentieren jedoch mit dem grundlegenden Ziel, Leben zu retten sowie die Ressourcen im Gesundheitssystem mit der pharmazeutischen Expertise besser nutzen zu können.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.