Mehr Schlaganfälle in heißen Nächten |
Annette Rößler |
28.05.2024 13:00 Uhr |
Bei hohen Temperaturen in der Nacht leidet die Schlafqualität. Laut einer aktuellen Studie aus Deutschland ist auch das Schlaganfallrisiko erhöht. / Foto: Getty Images/demaerre
Hitze und ihre gesundheitlichen Auswirkungen sind in Deutschland infolge des Klimawandels zu einem drängenden Problem geworden. Gerade erst hat Bundesgesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach (SPD) daher einen Hitzeschutzplan vorgestellt. Eine aktuell im »European Heart Journal« erschienene Arbeit untermauert, wie wichtig es ist, vulnerable Gruppen vor Hitze zu schützen – besonders nachts.
Die Forschenden um Dr. Cheng He vom Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt hatten Daten aus der Region Augsburg retrospektiv ausgewertet. Berücksichtigt wurden stündlich erfasste meteorologische Daten wie Lufttemperatur, relative Luftfeuchtigkeit und Luftdruck sowie Ozon- und Feinstaubbelastung der Monate Mai bis Oktober in den Jahren 2006 bis 2012 sowie 2013 bis 2020. Diese wurden korreliert mit der Anzahl der Schlaganfälle in diesem Zeitraum, von denen sich insgesamt 11.037 ereigneten: 7430 ischämische Schlaganfälle, 2947 transitorische ischämische Attacken (TIA) und 642 hämorrhagische Schlaganfälle.
Der Fokus der Auswertung lag auf der Temperatur der Nächte. Die Forschenden verwendeten den sogenannten Hot Night Excess Index (HNE), um zu erfassen, wie stark die Nachttemperaturen einen bestimmten Grenzwert überschritten. Eine Nacht wurde als heiß gewertet, wenn in ihr die Temperatur nicht unter 14,6 °C absank. Als Nächte mit extremer Hitze galten solche oberhalb der 97,5. Perzentile des HNE.
Anhand dieser Kategorisierung konnten die Forschenden zunächst feststellen, dass die Zahl der Nächte mit extremer Hitze von 79 in den Jahren 2006 bis 2012 auf 82 in den Jahren 2013 bis 2020 gestiegen war, was auch zu einem signifikanten Anstieg des HNE insgesamt beigetragen hatte. Die durchschnittlichen Temperaturen am Tage hatten sich dagegen nur marginal von 14,5 °C auf 14,8 °C erhöht.
Das Risiko für ischämische Schlaganfälle und TIA war in Nächten mit extremer Hitze gegenüber kühleren Nächten signifikant um 7 Prozent erhöht. Das galt jedoch nicht für hämorrhagische Schlaganfälle. »Möglicherweise waren diese aber insgesamt zu selten, um einen statistischen Unterschied zu sehen, oder sind Folge niedrigerer Temperaturen«, kommentiert Koautor Professor Dr. Markus Naumann vom Universitätsklinikum Augsburg in einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).
Als Gründe für das höhere Schlaganfallrisiko bei hohen Nachttemperaturen führt Naumann eine nächtliche Dehydrierung der Betroffenen sowie die Unterbrechung der normalen Schlafphysiologie und der circadianen Thermoregulation an. »Die Körpertemperatur hat einen tageszeitlichen Rhythmus mit Tiefstwerten gegen 4 Uhr morgens, der in tropischen Nächten durcheinandergeraten kann, – und jeder kennt es, dass man in Hitzenächten schlecht schläft, oft aufwacht und die erholsamen Tiefschlafphasen nicht erreicht. Diese sind aber wichtig für die Regeneration des Gehirns«, verdeutlicht der Experte.
Subgruppenanalysen ergaben, dass Frauen und Menschen über 65 Jahren besonders gefährdet waren, infolge von Nachthitze einen Schlaganfall zu erleiden. Bei Jüngeren und Männern zeigte sich erst im wärmeren Zeitraum 2013 bis 2020 ein Einfluss der heißen Nächte auf das Schlaganfallrisiko. Naumann mahnt einen besseren Schutz vulnerabler Gruppen an, etwa durch eine standardmäßige Klimatisierung von Altenheimen.
Die DGN weist in der Meldung darauf hin, dass die Hitzerekordjahre 2022 und 2023 in der Studie noch nicht einmal berücksichtigt wurden. Nach diesen beiden Extremsommern müsse man sich auf weitere Hitzejahre und tropische Nächte einstellen, so DGN-Generalsekretär Professor Dr. Peter Berlit. »Wir begrüßen daher die Hitzeschutzpläne, die Minister Lauterbach am Freitag vorlegte, ausdrücklich.«