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Pandemiebeobachtung

Mehr Kinder erkranken an Typ-1-Diabetes

In der SARS-CoV-2-Pandemie stieg die Inzidenz von Typ-1-Diabeteserkrankungen bei Kindern. Dass das Coronavirus der Auslöser dafür ist, ist aber bisher nicht nachgewiesen.
Sven Siebenand
31.01.2022  16:00 Uhr

In »Diabetes Care« hat ein Team um Privatdozent Dr. Clemens Kamrath von der Universität Gießen Daten zu Typ-1-Diabetes-Neuerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland veröffentlicht. Bereits in den Jahren vor der Coronavirus-Pandemie war die Zahl der Neuerkrankungen stetig gestiegen. Im Pandemiejahr 2020 und in der ersten Hälfte des Pandemiejahres 2021 stieg die Inzidenz aber deutlich stärker als nach dem Trend der Vorjahre zu erwarten gewesen wäre. Das ergab die Auswertung von insgesamt 5162 neu diagnostizierten Typ-1-Diabetesfällen bei Kindern und Jugendlichen im deutschsprachigen Raum im Zeitraum von Januar 2020 bis Juni 2021.

Bereits auf der Herbsttagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) im November 2021 hatte Kamrath über einen Anstieg von 15 Prozent über das zu erwartende Maß berichtet. Zu beobachten war ferner, dass Spitzenwerte des neu diagnostizierten Typ-1-Diabetes immer jeweils etwa drei Monate nach einer Coronavirus-Welle auftraten. Im Sommer nach der ersten Coronawelle habe es demnach 50 Prozent mehr Fälle gegeben, als zu erwarten gewesen wäre.

Die genaue Ursache für diesen Inzidenzanstieg kennt man nicht. Auch wenn die zeitliche Nähe für den Täter SARS-CoV-2 spricht, denkt Kamrath weniger an einen direkten Effekt des Coronavirus auf die Betazellen der Bauchspeicheldrüse. Dann hätte der Anteil an diagnostizierten Fällen ohne Autoantikörper höher sein müssen. Auch die verhältnismäßig geringe Covid-19-Infektionsrate bei Kindern in der ersten Welle spreche dagegen, genauso die Beobachtung, dass die Typ-1-Diabetesinzidenz innerhalb Deutschlands recht einheitlich stieg und in Regionen mit hoher Covid-19-Inzidenz nicht entsprechend noch höher lag.

Kamrath bringt stattdessen indirekte Folgen der Pandemie als Ursachen ins Spiel. Stress könne eine Rolle spielen und das Risiko für den Ausbruch von Typ-1-Diabetes erhöhen. Auch könne das veränderte Keimspektrum im Lockdown verantwortlich sein. Wenn die Kinder durch die Lockdown-Maßnahmen weniger mit anderen Erregern in Kontakt kommen, könnte ein Schutz vor Autoimmunerkrankungen gemäß der Hygiene-Hypothese verloren gehen, so Kamrath.

Eine kürzlich von den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in den USA veröffentlichte Untersuchung bei Unter-18-Jährigen sieht dagegen einen direkten Zusammenhang zwischen Covid-19-Infektion und erhöhtem Diabetesrisiko. Die Behörde griff auf Daten von mehr als 500.000 versicherten Patienten aus zwei unterschiedlichen Gesundheitsdatenbanken zurück. Das Risiko für die Diagnose »Diabetes« lag nach der Coronainfektion (Abstand größer 30 Tage) um 166 beziehungsweise 31 Prozent über dem Risiko für Nicht-Corona-Infizierte.

Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft kritisiert die Studie in einer aktuellen Pressemitteilung und nennt Schwächen der Erhebung. Zu den beiden Prozentzahlen sagt DDG-Präsident Professor Dr. Andreas Neu: »Das ist ein erheblicher Unterschied, der kein eindeutiges Studienergebnis liefert.« Ferner unterscheidet die Arbeit nicht zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes. »Ohne diese Trennung ist eine Gesamteinschätzung kaum möglich: Wie viele der Kinder entwickeln einen Typ-1-, wie viele einen Typ-2-Diabetes?«, so Neu. Ein detaillierter Blick auf die Formen des Diabetes im Jugendalter sei besonders deshalb von Bedeutung, weil in den USA der Typ-2-Diabetes in dieser Altersgruppe eine wesentlich größere Rolle spielt als in Europa. Dies hängt unter anderem mit den Ernährungsgewohnheiten, aber auch mit den genetischen Merkmalen der Bevölkerung zusammen.

Last but not least vernachlässigt die Untersuchung die ethnische Zugehörigkeit, das Körpergewicht und einen möglicherweise bestehenden Prädiabetes, ein Vorstadium von Typ-2-Diabetes. »Das sind wesentliche Risikofaktoren, die bei einer Erhebung nicht fehlen dürfen«, kritisiert Professor Dr. Baptist Gallwitz, DDG-Mediensprecher. Der Mediziner plädiert für weitere Langzeitstudien mit verlässlichen Daten.

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