Mehr Forschung zur männlichen Fertilität gefordert |
Theo Dingermann |
16.10.2023 12:30 Uhr |
»Der rapide Rückgang der männlichen Fruchtbarkeit lässt sich nicht durch die Genetik erklären, und Studien weisen darauf hin, dass Umweltfaktoren eine treibende Kraft sind«, sagt Professor Dr. Sarah Kimmins vom Department of Pharmacology and Therapeutics der McGill University in Montreal, Kanada, die Erstautorin der Publikation.
Zu den Faktoren, die maßgeblich zur männlichen Unfruchtbarkeit beitrügen, gehörten eine zunehmende Exposition gegenüber hormonstörenden Chemikalien, Übergewicht und Fettleibigkeit, schlechte Ernährung, Stress, Cannabiskonsum, Alkohol und Rauchen, so die Wissenschaftlerin. Leider seien sich die Männer dieser Faktoren im Allgemeinen nicht bewusst, äußert sich Kimmins in einer Mitteilung des University of Montreal Hospital Research Center.
Die derzeitigen diagnostischen Verfahren beruhten auf veralteten Techniken. So werden gegenwärtig Männer auf der Grundlage ihrer Familiengeschichte, einer körperlichen Untersuchung, eines Hormonprofils und einer einfachen Samenanalyse, die sich seit mehr als 50 Jahren nicht verändert hat, als unfruchtbar eingestuft.
»Als Mediziner müssen wir in Zukunft mehr Mittel für die Forschung bereitstellen, damit wir Männern empfindliche und genaue Tests für die Spermiengesundheit anbieten können«, so Professor Dr. Jacquetta Trasler vom Departments of Paediatrics, Human Genetics and Pharmacology & Therapeutics an der McGill University.
»Andrologischen Diagnosen wird oft nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, die sie verdienen, wenn ein Paar keine Kinder bekommen konnte«, betont auch Professor Dr. Stefan Schlatt vom Institut für Reproduktions- und Regenerationsbiologie der Universität Münster und Koautor der Studie in einer Pressemittelung der Universität.
Auch gebe es für die Behandlung des Mannes bisher nicht viele wissenschaftlich fundierte Möglichkeiten, fügt Schlatt hinzu. »Wir fordern, dass weltweit Proben von Patienten und deren Daten gesammelt werden, um die genetischen und umweltbedingten Ursachen der männlichen Unfruchtbarkeit zu erforschen und neue Diagnoseverfahren zu etablieren«, so der Biomediziner.
Mangelndes Wissen über die Ursachen männlicher Unfruchtbarkeit, so Schlatt, führe oft dazu, dass die Patienten als homogene Gruppe behandelt würden. Statt die Ursachen individuell zu behandeln, werde eher auf medizinisch unterstützte Fortpflanzung zurückgegriffen.
Konkret formulieren die Experten zehn Empfehlungen:
Die Forschenden betonen, dass männliche Unfruchtbarkeit eine ernste Krankheit und ein zunehmendes Problem für alle ist. Daher fordern sie Regierungen und Gesundheitssysteme auf der ganzen Welt auf, diese Empfehlungen rasch umzusetzen.