Medizinforschungsgesetz nimmt letzte Hürde |
Lukas Brockfeld |
27.09.2024 11:42 Uhr |
Am 27. September passierte das Medizinforschungsgesetz den Bundesrat. / Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Mit dem Medizinforschungsgesetz möchte die Bundesregierung die Rahmenbedingungen für die Entwicklung, Zulassung und Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten verbessern. Ziel ist es, die Attraktivität des Standorts Deutschland im Bereich der medizinischen Forschung zu stärken, den Zugang zu neuen Therapieoptionen für Patientinnen und Patienten zu beschleunigen sowie Wachstum und Beschäftigung zu fördern.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte im Anschluss an die Bundesratssitzung: »Mit dem Medizinforschungsgesetz setzen wir wesentliche Ziele der Pharmastrategie der Bundesregierung in die Tat um. Wir geben Forschenden und Unternehmen die nötige Planungssicherheit, entbürokratisieren und beschleunigen die Verfahren und stärken die Versorgung der Patientinnen und Patienten, gerade auch mit innovativen Arzneimitteln.« So werde der Forschungsstandort Deutschland gestärkt.
Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) lobte das neue Gesetz ihrer Regierung: »Das Medizinforschungsgesetz geht voran bei der Entbürokratisierung und Beschleunigung von Verwaltungsverfahren. Im Bereich des Strahlenschutzes sichern wir einen gleichbleibend hohen Schutz des Menschen vor ionisierender Strahlung und bauen gleichzeitig zielgenau unnötige Bürokratie ab. Das entlastet zum einen die Forschenden, zum anderen können sich Ethik-Kommissionen und Behörden so auf die schwierigen ethischen und radiologischen Fach- und Rechtsfragen konzentrieren.« Mit der Novelle schaffe die Bundesregierung effiziente, sachorientierte Verwaltungsverfahren.
Nach dem grünen Licht der Länderkammer kann das MFG nun verkündet werden. Es tritt zum größten Teil am Tag nach der Verkündung in Kraft. Die Bundesregierung verspricht eine zügige Umsetzung der neu geschaffenen regulatorischen Möglichkeiten.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) plant unter anderem, Standardvertragsklauseln für die Verträge zwischen Sponsoren und Einrichtungen klinischer Arzneimittel- und Medizinprodukteforschung zu erstellen und mit den betroffenen Stakeholdern abzustimmen. Dadurch soll frühzeitig und schneller als bislang mit klinischen Prüfungen von Arzneimitteln oder Medizinprodukten begonnen werden können.
Zudem sieht das neue Gesetz die Errichtung einer spezialisierten Ethik-Kommission für besondere Verfahren vor, die Expertise zur Bewertung von klinischen Prüfungen und Leistungsstudien bündelt. Dies betrifft besonders komplexe oder eilbedürftige Verfahren, zum Beispiel klinische Prüfungen von Arzneimitteln für neuartige Therapien.
Die strahlenschutzrechtlichen Anzeige- und Genehmigungsverfahren werden nach Angaben des BMG »vollständig novelliert, entbürokratisiert und beschleunigt«. Der Aufwand für Forschende sowie für die Behörden soll so deutlich reduziert werden.
Über Details des MFG wurde in den vergangenen Monaten viel diskutiert. So sorgten beispielsweise die ursprünglich vorgesehen Regeln für vertraulichen Erstattungspreise für viel Kritik. Von Seiten der Pharmaindustrie wurde das Gesetz allerdings überwiegend mit Wohlwollen aufgenommen. Lauterbach selbst sieht in dem noch nicht in Kraft getretenen Gesetz einen wichtigen Grund für den aktuellen Aufschwung der deutschen Pharmaindustrie. Im Mai sprach der Minister auf der Hauptversammlung des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI) gar von einer »ganz neuen Ära« für den Standort Deutschland.
Auch der BPI lobt das MFG. »Das Medizinforschungsgesetz ist mit Blick auf den Innovations- und Studienstandort Deutschland vielversprechend«, sagte BPI Hauptgeschäftsführer Kai Joachimsen am Donnerstag. »Wissenschaft, Industrie und Patienten können, so wie in der Pharmastrategie vorgesehen, von der Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und dem Abbau von bürokratischen Hürden profitieren. Das haben wir als BPI schon lange gefordert.«
Doch rundum zufrieden ist Joachimsen nicht. So kritisiert er die Ausgestaltung der sogenannten AMNOG-Leitplanken und warnt vor zusätzlicher Bürokratie.
Kritik kam auch von der AOK, die vor steigenden Arzneimittelpreisen in Deutschland warte: »Wir sehen bereits in diesem Jahr zweistellige Zuwachsraten bei den Arzneimittelausgaben. Aber statt mit effektiven Regelungen eine Ausgabendämpfung einzuleiten, werden mit dem Medizinforschungsgesetz nun in Deutschland Geheimpreise für neue Arzneimittel eingeführt, die die Ausgabendynamik weiter anheizen. Auch die zuletzt noch geschwächten sogenannten Leitplanken für die Erstattungsbetrags-Verhandlungen werden dazu führen, dass vor allem die Ausgaben für neue Arzneimittel erheblich zunehmen«, sagte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes.
Eine aktuelle Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK habe gezeigt, dass Arzneimittel in den vergangenen zehn Jahren einer der größten Kostentreiber in der GKV waren. »Mir ist schleierhaft, wie die Ampel vor diesem Hintergrund mit Geheimpreisen und unter Schwächung des gerade erst eingeführten engeren Rahmens für die Erstattungsbetragsverhandlungen die Schleuse für potentielle Ausgabensteigerungen öffnen kann. Was wir im Sinne der Versichertengemeinschaft eigentlich brauchen, ist doch das Gegenteil«, klagte die AOK-Vorsitzende.