Ein neuer Spieler im Herz-Kreislauf-Geschehen |
09.09.2002 00:00 Uhr |
Angiotensin Converting Enzyme 2
von Helga Anton-Beitz, Rottenburg
Erst vor zwei Jahren entdeckten Forscher ein dem Angiotensin Converting Enzyme (ACE) ähnliches weiteres Enzym – das ACE2. Dieses ist anscheinend nicht nur ein Gegenspieler von ACE in der Blutdruckkontrolle, sondern beeinflusst neuen Untersuchungen zufolge auch die Funktion des Herzens.
Das Renin-Angiotensin-System (RAS) ist seit über 100 Jahren Gegenstand der medizinischen Forschung. In seiner gängigen Form umfasst es die Spaltung von Angiotensinogen über Angiotensin I zum vasokonstriktorisch wirksamen Angiotensin II. Eines der daran beteiligten Enzyme ist das Angiotensin Converting Enzyme, das das Decapeptid Angiotensin I zum Octapeptid Angiotensin II verkürzt. Die Hemmung des ACE ist heute ein wesentlicher Bestandteil der Therapie von Bluthochdruck und Herzinsuffizienz.
Mit dem neu entdeckten zweiten humanen Angiotensin Converting Enzyme (ACE2) hat man eine Komponente des Renin-Angiotensin-Systems gefunden, die zusammen mit ACE für die Einstellung des Angiotensin-II-Spiegels im Organismus von entscheidender Bedeutung zu sein scheint. ACE2 und ACE sind zwei ähnliche Protein-spaltende Enzyme, so genannte Carboxypeptidasen, deren Aminosäureabfolgen im katalytischen Zentrum zu 42 Prozent identisch sind. Dennoch unterscheiden sie sich sowohl in ihrer Substratspezifität als auch in der enzymatischen Reaktion selbst. ACE2 ist in der Lage, neben Angiotensin I auch Angiotensin II umzusetzen. Es spaltet dabei nur eine Aminosäure vom carboxyterminalen Ende seiner Substrate ab.
Dadurch entsteht aus Angiotensin I das Nonapeptid Angiotensin 1-9, dessen Wirkung bisher noch nicht bekannt ist. Es könnte ein kompetitiver Inhibitor des ACE sein. Dieses Produkt kann das Enzym nicht weiter zu Angiotensin II abbauen. Allerdings verkürzt ACE Angiotensin 1-9 um zwei weitere Aminosäuren und setzt es so zu Angiotensin 1-7 um, das vermutlich eine vasodilatierende Wirkung hat. Angiotensin 1-7 entsteht auch aus dem zweiten Substrat des ACE2 - Angiotensin II. Die Spaltung von Angiotensin I durch ACE2 wird nicht durch die ACE-Inhibitoren Captopril, Lisinopril oder Enalaprilat gehemmt.
Während ACE nahezu im gesamten Organismus vorkommt, findet sich ACE2 vorwiegend im Endothel der Herz- und Nierengefäße sowie im Epithel der Nierentubuli und in den Testes. Anscheinend nimmt ACE2 dort eine wichtige Funktion als Gegenspieler des ACE ein, denn es konkurriert mit ACE um dessen Substrat Angiotensin I und inaktiviert Angiotensin II.
Kürzlich ist es einem Forscherteam um Michael A. Crackower von der University of Toronto, Kanada, gelungen, das für ACE2 codierende Gen (ace2) in Mäusen auszuschalten. Diese Knock-out-Mäuse hatten überraschenderweise normalen Blutdruck, entwickelten aber eine sich stetig verschlechternde Herzmuskelschwäche. Die morphologischen und hämodynamischen Veränderungen am Herzen ähnelten dem Zustand von Patienten mit koronarer Herzerkrankung beziehungsweise von Patienten nach einer Bypass-Operation. In Herz, Niere und Plasma wurden erhöhte Angiotensin-II-Spiegel gemessen. Daneben stieg auch die Aktivität von durch Hypoxie induzierten Genen. Die Forscher nehmen an, dass die erhöhten Angiotensin-II-Spiegel zur lokalen Vasokonstriktion der Herzgefäße mit nachfolgender Hypoxie und Schwächung der Schlagkraft des Herzens führen.
ACE2 scheint ein lokaler Gegenspieler des ACE im Renin-Angiotensin-System zu sein. Sein Fehlen löst im Tiermodell die Entstehung einer Herzmuskelschwäche aus. Weder das Ausschalten des ACE-Gens noch des Angiotensinogen-Gens ruft eine Herzerkrankung hervor. Es bleibt abzuwarten, welche Bedeutung man dem ACE2 im menschlichen Organismus beimessen wird. Besonders interessant werden Untersuchungen zu natürlichen Variationen im ace2 (single nucleotide polymorphism) und deren Einfluss auf das Herz-Kreislauf-System sein. Sollte auch hier ein Zusammenhang erkennbar werden, so wäre möglicherweise ein Gen gefunden, das über das Risiko eines Menschen entscheidet, im Laufe seines Lebens eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln.
Literatur
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