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Medizin

01.12.2003  00:00 Uhr
Epigenetik

Das Genom über dem Genom

von Hannelore Gießen, Hamburg

Das Humangenomprojekt ist abgeschlossen. Nun wurde der Startschuss für eine erweiterte Kartierung des menschlichen Genoms gegeben: das Humane Epigenomprojekt. Es soll die vererbbaren Veränderungen in den Expressionsprofilen der Gene erfassen.

Die Erbinformation, die nach dem Verschmelzen von Ei- und Samenzelle die biologische Entwicklung und Ausdifferenzierung des Organismus steuert, liegt nicht nur in der DNA-Sequenz. Vererbt werden auch die Aktivitäts- beziehungsweise Expressionsmuster des Genoms, die festlegen, welche Informationen eines Organismus in Proteine umgesetzt werden.

Vermutlich sind es zwei Mechanismen, die das Aktivitätsmuster des Genoms kontrollieren: die Struktur des Chromatins sowie die Methylierung des Cytosins, eines der vier Nukleotide der Erbsubstanz. Als Chromatin wird der Komplex von DNA mit Proteinen und RNA bezeichnet, der, je nachdem wie fest die Nukleinsäure um die Proteine gewickelt ist, mehr oder weniger dicht gepackt sein kann. Die Wicklung beeinflusst, welche Gene für die Transkription und damit für die Umsetzung in Proteine zugänglich sind.

Ein zweiter Regulationsmechanismus ist die Methylierung des Erbguts. Ungefähr 5 Prozent des Cytosins der DNA eukaryotischer Zellen besitzen eine zusätzliche CH3-Gruppe, liegen also methyliert vor. Nach bisherigen Erkenntnissen legt eine starke Methylierung ein Gen still, so dass es nicht abgelesen wird. Damit wird die Vererbung einer genetischen Information nicht nur über das Genom geregelt, sondern auch auf einer darüberliegenden Ebene. Wie dies geschieht, erforscht die Epigenetik.

Anfang der neunziger Jahre stellten Forscher fest, dass in Tumorzellen jene Gene durch Methylierung inaktiviert sind, die das unkontrollierte Wachstum der Zellen verhindern. Daher sind vermutlich nicht nur Genmutationen, sondern auch Änderungen in der epigenetischen Kontrolle an der Krebsentstehung beteiligt. Bei einigen genetischen Fehlbildungen wie dem Prader-Willy-Syndrom wurden ebenfalls solche Veränderungen gefunden.

Vererbung erworbener Eigenschaften

Erst seit kurzem beginnen Forscher besser zu verstehen, welche Anteile des Genoms methyliert sind und welche Faktoren die Methylierung beeinflussen. Möglicherweise sind auch Umweltfaktoren daran beteiligt. In der Epigenetik könnte der Schlüssel zum Verständnis liegen, wie sich Stress oder Nahrung auf die Funktion vieler Gene auswirken. So könnten die Erfahrungen der Elterngeneration über epigenetische Mechanismen an die nächste Generation weitergereicht werden. Nach dem Verständnis der klassischen Genetik werden nur Informationen vererbt, in der Erbinformation der Ei- oder Samenzelle enthalten sind. Dieses Verständnis würde somit um die epigenetische Variante erweitert. Dann hätte Jean Baptiste Lamarck vielleicht doch nicht so unrecht, der von einer Vererbung von Merkmalen ausging, die ein Organismus im Lauf seines Lebens erworben hat.

Nicht nur die Gene entscheiden

Dass die Methylierung zu den Mechanismen gehören, die Gene stilllegen können, war schon länger bekannt. Wie ausgeprägt dieser Einfluss jedoch sein kann, belegte vor kurzem ein eindrucksvolles Beispiel: Forscher der Duke University in Durham, North Carolina, zeigten an Mäusen, dass sich die Art des Futters bei trächtigen Weibchen auf das Aussehen des Nachwuchses auswirkt. Ein Teil der trächtigen Tiere, die durch die Aktivität des Gens agouti ein gelbes Fell und eine Neigung zu Übergewicht haben, erhielt normales Futter, der andere Teil eine speziell mit Folsäure, Vitamin B12 und Betain angereicherte Nahrung. Diese Nährstoffe werden von den Methylierungsenzymen benötigt. Die Mäuse mit dem Spezialfutter brachten statt fettleibiger, gelber Tiere schlanke, braune zur Welt, obwohl die genetische Ausstattung der Mäusebabys selbstverständlich der der Mauseltern entsprach. Durch die Nahrung wurde offenbar das Gen agouti, das sowohl die Fellfarbe als auch Fettleibigkeit beeinflusst, stark methyliert und somit über„epigenetische Prägung“ abgeschaltet.

In Anlehnung an das „Humangenomprojekt“ wurde ein „Epigenomprojekt“ initiiert, für das im Oktober nach einer vierjährigen Testphase der Startschuss fiel. Beteiligt sind neben dem Sanger-Institut in Cambridge die Berliner Firma Epigenomics. Das Epigenomprojekt soll in den nächsten fünf Jahren das Methylierungsprofil des gesamten menschlichen Genoms identifizieren. Top

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