Abnehmen ist einfach, aber nicht leicht |
10.11.1997 00:00 Uhr |
Medizin
Fünf Kilo abnehmen in fünf Tagen; alles essen, was man will und trotzdem
das Gewicht reduzieren; sechs Kilo weniger, ohne zu hungern. Solche
Versprechungen, von denen zahlreiche Illustrierte ganz gut leben, haben einen
elementaren Nachteil: Sie sind alle nicht wahr und bedienen lediglich die
Wunschvorstellungen ihrer - zumeist weiblichen - Leser.
Die tatsächlich möglichen Erfolge von Diäten sind weit weniger spektakulär. Denn auch
beim Abnehmen gelten weiterhin die Gesetze der Physiologie, der Biochemie und der
Physik. Nur wenn weniger Brennmaterial von außen zugeführt wird, greift der Körper
auf seine Depots zurück. Und auch dabei ist er sparsamer, als viele vermuten. Selbst
bei einer Nulldiät sind 450 Gramm Gewichtsverlust pro Tag die Obergrenze.
Von einer solchen Radikalkur raten Ernährungswissenschaftler allerdings dringend ab.
"Die Nulldiät birgt erhebliche gesundheitliche Gefahren wie Kreislaufstörungen,
Hyperurikämie und Ketonämie," warnt Dr. Ursel Wahrburg vom Institut für
Arterioskleroseforschung, Münster. Der Körper decke bei einer Nulldiät seinen
Energiebedarf nicht nur durch das Verbrennen von Fett, sondern beginnt auch nach
kurzer Zeit mit dem Abbau von Proteinen, also auch von Muskelmasse. In einer
Veranstaltung während des Expopharmkongresses in Düsseldorf erläuterte sie die
Vor- und Nachteile verschiedener Diäten. Ohne ärztliche Aufsicht, so ihr Urteil, sollte
in jedem Fall von einer Nulldiät abgeraten werden.
Als weniger gesundheitsgefährdend bezeichnete die Ernährungswissenschaftlerin das
modifizierte Fasten, bei dem zur Kompensation der Proteinverluste täglich 50 Gramm
Eiweiß aufgenommen werden dürfen. Zusätzlich sollten dem Körper bis zu 10 Gramm
Fett und 25 bis 45 Gramm Kohlenhydrate zugeführt werden. Insgesamt bedeutet dies
eine Energiezufuhr von rund 400 kcal pro Tag. Dadurch werden die Nebenwirkungen
einer Nulldiät vollständig vermieden. Der einfachste Weg, die benötigten Nährstoffe
exakt dosiert aufzunehmen, seien Formula-Diäten, so Wahrburg. Wer das modifizierte
Fasten längere Zeit durchhält, darf mit einer Gewichtsabnahme von zwei bis drei Kilo
pro Woche rechnen. Auch modifiziertes Fasten sollte grundsätzlich unter ärztlicher
Kontrolle stattfinden.
Keine Änderung des Eßverhaltens
Formuladiäten, bei denen etwa 700 bis 800 kcal täglich aufgenommen werden, sollten
nach Ansicht der Ernährungswissenschaftlerin vor allem bei medizinischer Indikation
kurzfristig eingesetzt werden. Der Vorteil dieser pulverisierten Nährtstoffkonzentrate
sei, daß bei Einhaltung der Tagesrationen keine Mangelerscheinungen auftreten,
nachteilig sei, daß sie zu keiner Änderung des Eßverhaltens führen. Wer eine
Formuladiät beendet hat, beginnt wieder dort, wo er vor der Diät aufgehört hat. Eine
erneute Gewichtszunahme sei damit programmiert. Zudem werde die von Herstellern in
Aussicht gestellte Gewichtsabnahme zumeist nicht erreicht.
Ambivalent ist Wahrburgs Urteil auch über das Heilfasten, bei dem auf feste Nahrung
vollständig verzichtet wird und lediglich Saft, Tee, Brühe oder Wasser getrunken
werden sollen: Zum einen könne Heilfasten unter ärztlicher Anleitung dabei helfen, das
Eßverhalten dauerhaft zu verändern. Zum anderen dürfe es aber in keinem Fall dazu
führen, daß auf medizinisch notwendige Therapien verzichtet werde, denn für die über
die Gewichtsabnahme hinausgehenden Ansprüche wie Entschlackung oder Besserung
des Gesundheitszustandes, gebe es keine wissenschaftlichen Belege.
Gesundheitsgefahren durch einseitige Diäten
Kein gutes Haar ließ die Ernährungswissenschaftlerin an einseitigen Diäten wie der
Atkins-Diät oder der Max-Planck-Diät. Wer eine Atkins-Diät macht, muß auf
Kohlenhydrate vollständig verzichten, darf aber Fett und Eiweiß nach belieben zu sich
nehmen. Diese Ernährungsweise sei in höchstem Maße ungesund, so Wahrburg. Da zu
große Mengen an gesättigten Fettsäuren und zu wenig Vitamine und Ballaststoffe
aufgenommen werden.
Auch die Max-Planck-Diät, die im übrigen nichts mit dem Physik-Nobelpreisträger zu
tun hat, halte bei weitem nicht, was ihre Befürworter versprechen. Hierbei muß der
Abnehmende weitgehend auf Kohlenhydrate verzichten, soll dafür aber sieben Eier pro
Woche und viel Fleisch essen. Dadurch soll man in zwei Wochen acht Kilo abnehmen
und dieses Gewicht über Jahre halten können. Dies sei vollkommen unrealistisch, so
Wahrburg.
Ebenfalls ablehnend steht die Referentin der Hay´schen Trennkost und der
Makrobiotik (nach Oshawa und Kushi) gegenüber. Diese Diäten basierten auf völlig
falschen Annahmen und seien als Dauerkost ungeeignet. Die Makrobiotik nach
Oshawa, bei der ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Yin und Ynag angestrebt
werden soll, sei sogar gesundheitsgefährdend, warnte die Wissenschaftlerin.
Weniger und das Richtige essen
Als sinnvoll bewertete Wahrburg eine Diätform, mit der sich maximal 1 Kilo pro
Woche abnehmen läßt, wobei jedoch das Eßverhalten grundsätzlich überdacht werden
muß: Die energiereduzierte Mischkost. Bei dieser Diätform soll die Fettzufuhr
eingeschränkt und auf Zucker und alkoholischen Getränke vollständig verzichtet
werden. Anstelle dieser Kalorienbomben werden Vollkornprodukte, Obst und
Gemüse, magere Milchprodukte und fettarmes Fleisch gegessen. So könne bei
gleichbleibender Nahrungsmenge die Kalorienzufuhr um etwa ein Drittel gesenkt
werden, sagte Wahrburg. Sinnvoll sei es, mehrmals am Tag wenig zu essen und
mindestens 1,5 Liter zu trinken.
Ebenfalls als empfehlenswert stufte Wahrburg die Vollwerternährung nach Leitzmann
ein, bei der überwiegend ovo-lacto-vegetabile Kost gegessen wird. Die Lebensmittel
sollten möglichst frisch und wenig verarbeitet gegessen werden, rund 50 Prozent der
Nahrung werden roh verzehrt.
Einen vollständiger Verzicht auf tierische Produkte ist dagegen weniger ratsam. Wer
sich vegan ernährt, also nur pflanzliche Lebensmittel zu sich nimmt, muß mit Eiweiß,
Calcium-, Eisen- und Iodmangel rechnen. Außerdem muß mit einer eine Vitamin
B12-Unterversorgung gerechnet werden. Wahrburgs Fazit: "Vegane Kost ist als
Dauerernährung ungeeignet und für Menschen mit erhöhtem Nährstoffbedarf wie
Schwangere und Säuglinge sogar gefährlich."
PZ-Artikel von Daniel Rücker, Düsseldorf
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