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Lebensmittelvergiftungen aus eigener Küche

14.06.2004  00:00 Uhr

Lebensmittelvergiftungen aus eigener Küche

von Conny Becker, Berlin

Etwa die Hälfte der Lebensmittelvergiftungen in Deutschland nimmt ihren Ausgang in der heimischen Küche. Während in der Wahrnehmung der Verbraucher Dioxine oder Acrylamid an erster Stelle stehen, sind die Hauptverursacher der Magen-Darm-Beschwerden Mikroorganismen sowie deren Toxine, informierten Experten in Berlin.

„Ein Prozent aller Deutschen hat einmal im Jahr eine Lebensmittelintoxikation“, sagte Professor Dr. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) auf der Pressekonferenz zum 5. Weltkongress Lebensmittelinfektionen und Intoxikationen in Berlin. Hauptgrund für die hohen Erkrankungszahlen sei, dass im Zeitalter der Mikrowellennahrung kaum jemand weiß, „was man alles falsch machen kann“. Und so erhält das Robert-Koch-Institut (RKI) im Jahr etwa 200.000 Meldungen zu Lebensmittelinfektionen. „Die Dunkelziffer liegt noch 10- bis 20-mal höher“, führte der Experte aus.

Weltweit hat jeder dritte Mensch eine Lebensmittelinfektion pro Jahr, die häufig auch aus kontaminiertem Wasser resultiert. An den Folgen sterben nach Angaben des BfR jährlich etwa zwei Millionen Menschen. Um das Essen weltweit sicherer zu gestalten, stellte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine fünf Punkte umfassende Verbraucherinformation zusammen, informierte Dr. Christina Tirado von der WHO in Genf. Hygiene der Hände und Küchenmaterialien, separates Lagern und Verarbeiten von rohem Fisch, Fleisch und Geflügel, Erhitzen auf mindestens 70 °C sowie das Lagern im Kühlschrank möglichst unter 5 °C können die Übertragung und Vermehrung von Mikroorganismen eindämmen. „Nahezu 100 Prozent der Infektionen wären vermeidbar“, sagte Tirado.

Doch selbst die Kühlhaltung hat ihre Grenzen, berichtete Dr. Ekkehard Weise vom BfR, Berlin. So könnte sich etwa der Erreger Listeria monocytogenes auch im Kühlschrank vermehren, da seine minimale Wachstumstemperatur bei -0,4 °C liegt. „Man sollte auch unter Schutzgas oder Vakuum verpackte Lebensmittel möglichst schnell verbrauchen und das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht ausreizen“, riet Weise.

Da Lebensmittelsicherheit im Zuge der Globalisierung keine nationale Angelegenheit mehr ist, soll in der Europäischen Union, die jährlich etwa 30 Millionen Tonnen Lebensmittel aus Nicht-EU-Ländern importiert, ein dichtes Netz aufgebaut werden, in dem die nationalen Behörden enger als bisher zusammenarbeiten. Dabei sollte künftig nicht erst an den Grenzen auf Miroorganismen getestet, sondern im Vorfeld mit den Partnerländern gemeinsame Regeln aufgestellt werden, wie Lebensmittel zu behandeln sind. Zudem müsse Lebensmittelhygiene laut Referent nicht erst bei der eigentlichen Herstellung und Behandlung des Lebensmittels, sondern schon beim Rohstoff oder bei Futtermitteln ansetzen.

Salmonellen in Mett und Schokolade

Die häufigste Lebensmittelinfektion in Deutschland ist weiterhin die Salmonellose. Für sie gingen vergangenes Jahr, trotz sinkender Tendenz seit Mitte der 90er-Jahre, über 63.000 Meldungen beim RKI ein, berichtete Dr. Andrea Ammon, Leiterin der Abteilung „Infektionsepidemiologie“ des RKI, Berlin. Damit wies Deutschland in der EU (vor der EU-Erweiterung) hinter Belgien die höchste Zahl von Infektionen pro Einwohner auf. Grund dafür könnte auch das gute Meldesystem sein, das seit 2001 besteht und mit dessen Hilfe Ausbrüche besser erkannt werden können. Die Expertin nannte etwa die über 460 Salmonelleninfektionen durch kontaminierte Schokolade (2001) und die 45 Infektionen bei Säuglingen durch eine verseuchte Anischarge in Babytee (2003) als Beispiele. Mit der Erfassung in der neuen Sammelstelle konnte die Ursache aufgedeckt und die betroffenen Produkte zurückgerufen werden. Die Hauptquelle von Salmonelleninfektionen stellen jedoch nach wie vor Speisen aus rohen Eiern dar, gefolgt von rohen Schweinefleischprodukten wie Hack, das in den letzten Wochen in einigen Bundesländern zu Infektionen geführt hat, und Geflügel.

Vergangenes Jahr traten darüber hinaus rund 48.000 Infektionen mit Bakterien aus der Familie der Campylobacter auf, die erst seit drei Jahren meldepflichtig sind, so dass noch kein Trend abzulesen sei. „Es besteht aber durchaus Handlungsbedarf“, folgerte Ammon aus der Statistik. Die Zahl der gemeldeten Erkrankungen durch enterohämorrhagische Escherichia coli sei mit 1100 Fällen pro Jahr stabil, Infektionen mit Listerien stiegen langsam an. Auch virusbedingte Lebensmittelinfektionen mit Noroviren oder Hepatitis A nehmen zu, sind aber deutlich seltener als die von Bakterien verursachten.

Die Experten machten darauf aufmerksam, dass auf Grund der Globalisierung Anitbiotikaresistenzen und bereits ausgerottete Krankheiten mit Lebensmitteln importiert werden könnten. Vor allem Asien sei diesbezüglich ein kritischer Kontinent, da Hygieneaspekte selten beachtet würden, der Export aber sehr hoch sei. Auch Rückstände wie Tierarzneimittel in Fisch und Meeresfrüchten oder Pestizide in Obst und Gemüse seien häufig. Doch auch von unseren europäischen Nachbarn können Lebensmittelinfektionen ins Land kommen. So etwa die Rinder-Brucellose, die in Süd- und Osteuropa vorkommt, oder Tuberkulose, Milzbrand und Botulismus. Und wer in Polen auf die Wildschweinjagd geht, läuft Gefahr, mit dem Fleisch auch Trichinen mit nach Hause zu bringen. Für allzu große Befürchtungen gibt es laut Ammon jedoch keinen Grund.

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