Im Vorstadium verhindern |
17.03.2003 00:00 Uhr |
Die Gefahr für einen Typ-2-Diabetes lässt sich schon im Vorstadium feststellen und eine Progression zur manifesten Erkrankung verhindern. Über Risikoerkennung und Präventionsmöglichkeiten sprach Professor Dr. Markolf Hanefeld auf dem 40. wissenschaftlichen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ernährung am 13. März in Potsdam.
„Typ-2-Diabetes ist eine Volkskrankheit mit sehr starker Anbindung an Ernährungs- und Umweltfaktoren“, sagte der Wissenschaftler von der TU Dresden. Um 20 Prozent ließe sich die Sterbequote senken, wenn Menschen ihr Diabetes-Risiko vorzeitig kennen würden und ihre Lebensbedingungen entsprechend veränderten.
Anhand mehrerer Faktoren lässt sich das Risiko eines Menschen abschätzen, an Diabetes zu erkranken. So besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen gestörter Glucosetoleranz und dem Ausbruch der Krankheit. Als Risikofaktoren gelten ein IGT-Wert (Impaired Glucose Tolerance) zwischen 7,8 mmol/l und 11,1 mmol/l und ein IFG-Wert (Impaired Fasting Glucose) zwischen 6,1 mmol/l und 7,0 mmol/l. Gemessen wird der IGT-Wert postprandial im Blut, der IFG-Wert im nüchternen Zustand im Plasma. Bei gleichzeitig erhöhtem IGT- und IFG-Wert steigt das Risiko für Typ-2-Diabetes auf das Vierfache an. Auch Hypertonie, Atherosklerose und kardiovaskuläre Komplikationen treten in Folge einer gestörten Glucosetoleranz auf (siehe PZ 5/03). Ein Grund, warum oft schon im Vorfeld eines Diabetes mellitus die Mehrkosten beginnen.
„Derzeit haben wir sechs Millionen Diabetiker“, sagte Hanefeld. Etwa 15 Millionen werden es im Jahr 2015 sein, schätzt der Wissenschaftler. Immerhin seien etwa 26 Prozent der deutschen Bevölkerung von einer gestörten Glucosetoleranz betroffen.
Adiponektin schützt vor Diabetes Nur etwa 30 Prozent der Übergewichtigen entwickeln Diabetes mellitus Typ 2. Welche Faktoren darüber entscheiden, ob jemand an der Stoffwechselstörung erkrankt, war bislang nicht bekannt. Einen wichtigen Schritt zur Lösung dieses Rätsels machten Wissenschaftler vom Benjamin-Franklin-Klinikum der Freien Universität Berlin in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke. Im Rahmen der europäischen EPIC Studie konnten die Forscher einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Krankheit und dem Hormon Adiponektin feststellen: Erhöhte Adiponektin-Spiegel reduzieren das Risiko für einen Typ-2-Diabetes. Dr. Jochen Spranger vom Benjamin Franklin Klinikum erhielt für seine Arbeit den Max-Rubner-Preis der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.
Erhöhte IFG- und IGT-Werte sind jedoch noch keine Krankheit. Das Risiko an Diabetes mellitus zu erkranken, steigt allerdings um 50 Prozent, wenn Adipositas oder Dyslipidämie hinzukommen, um 30 Prozent, wenn eine Albuminurie vorliegt. Als weitere Risikokategorien gelten eine Fettleber oder vermehrte sexuelle, neuronale oder psychische Störungen.
Präventionsmöglichkeiten
Primärprävention im Vorstadium ist möglich. „Bereits fünf bis acht Jahre vor Ausbruch des Typ-2-Diabetes sollte interveniert werden“, forderte Hanefeld. In einer finnischen Präventionsstudie wurden 522 übergewichtige Personen über zwei Jahre beobachtet. Zum Programm gehörte die Gewichtsabnahme, eine tägliche Ausdauerbelastung von 30 Minuten, sowie die Einstellung der Ernährung, zum Beispiel auf über 15 mg Ballaststoffe pro 1000 Kilokalorien. Allein durch diese Maßnahmen konnten 58 Prozent der erwarteten Diabetes-Fälle verhindert werden. Dasselbe Ergebnis erbrachte eine amerikanische Studie. Dort wurde die Umstellung der Lebensweise mit dem alleinigen Einsatz von Arzneimitteln verglichen. Die Probandengruppe, die Metformin erhielt, zeigte ein deutlich schlechteres Resultat als die Gruppe, die die Lebensweise umgestellt hatte. Die Placebo-Gruppe schnitt am schlechtesten ab. Dafür war jedoch die Änderung des Lebensstils durch Ausgaben für Trainer und Fitnessstudios am teuersten.
Doch internationale Studien sind auf Grund der genetischen Prädisposition der Menschen nicht unmittelbar vergleichbar. In China schnitten Medikamente wesentlich besser ab als in den Vereinigten Staaten. Dort übertraf die Einnahme von Metformin im Ergebnis deutlich die Änderung des Lebensstils. Mit Acarbose konnte sogar eine Reduktion des Risikos um 75 Prozent erreicht werden.
Dennoch sollten Menschen mit kombinierter Glucoseintoleranz und mit
metabolischem Syndrom, also Personen aus einer Hochrisikogruppe, nur dann
Pharmaka nehmen, wenn eine kardiovaskuläre Erkrankung vorliegt und daher
eine Änderung des Lebensstils nicht mehr ausreicht, riet Hanefeld.
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