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Schonende Chirurgie per Wasserstrahl

10.12.2001  00:00 Uhr

Schonende Chirurgie per Wasserstrahl

von Wolfgang Kappler, Homburg/Saar

"Wasser marsch!" - Zunehmend operieren deutsche Chirurgen mit einem Wasserstrahl-Skalpell aus Schwerin und vermeiden Schmerzen und lange Liegezeiten. Das High-Tech-Produkt made in Germany wird seit Juni weltweit vertrieben. Wie Butter zerschneiden in der Industrie scharf gebündelte Hochdruck-Wasserstrahlen Holz, Kunststoff und sogar Stahl. Auch Leber- und Hirnchirurgen haben die Schneidfähigkeit von Wasser seit den 80er Jahren für sich entdeckt. Doch das entstehende Spritzwasser erwies sich bislang als Hauptnachteil. Damit ist jetzt Schluss.

Die Andreas Pein Medizintechnik GmbH in Schwerin hat das Problem gelöst und eröffnet mit dem Helix Hydro-Jet der Wasserstrahl-Chirurgie ein breites Anwendungsgebiet. Das schonende Verfahren zeigt sich schon jetzt in vielen Bereichen herkömmlichen chirurgischen Techniken deutlich überlegen, weil es OP-Dauer, Blutverluste, Schmerzen und Liegezeiten senkt.

Folgendes Szenarium beschreibt die Technik: In eine Rasenfläche soll ein Loch gegraben werden, ohne das filigrane Gras- und Strauchwurzelwerk im Boden zu zerstören. Hacke und Spaten sind dazu denkbar ungeeignet, und mit Taschenmesser und Pinsel gerät das Ganze zur Lebensaufgabe. Nimmt man hingegen einen Gartenschlauch zur Hand kann man folgendes beobachten: Das Wasser spült die Erde aus dem Boden und lässt das Wurzelwerk intakt.

Vor eine ähnliche Aufgabe sehen sich häufig Chirurgen gestellt wenn es darum geht, erkranktes Gewebe aus dem Körper zu entfernen, ohne dabei das feine Geflecht von Blutgefäßen und Nervenbahnen zu verletzen. Mit Skalpell, Laser, Hochfrequenz- oder Vereisungsinstrumenten gelingt dies selbst bei vorsichtiger Arbeit nicht immer. Mit nur wenigen Mikrometer dünnen Wasserstrahlen, deren Druck der unterschiedlichen Gewebefestigkeit angepasst werden kann, indes schon.

Darauf hatte erstmals der Athener Leberchirurg Papachristou 1982 hingewiesen. Die Professoren Dr. Stig Bengmark in Dänemark und Dr. Horst Rau in München bestätigten dies kurze Zeit später und machten damit das "Wasser-Skalpell" in der Leberchirurgie salonfähig. Als dann Professor Dr. Jürgen Piek 1997 in Greifswald erstmals einen Hirntumor mit Wasser entfernte und sich der HNO-Professor Dr. Ralf Siegert in Recklinghausen sicher im Gesichtsbereich um sensible Nerven herummanövrierte, wuchs auch die Akzeptanz der zu diesem Zeitpunkt noch vielfach belächelten chirurgischen Methode.

Problem Spritzwasser gelöst

Inzwischen gibt es in Deutschland wahre Enthusiasten wie den Hannoveraner Professor Dr. Ferdinand Köckerling, der Mastdarm, Prostata, Eierstock und Gebärmutter erfolgreich und schonend von Tumoren befreit. "Es treten geringere Blutungen als mit dem Skalpell auf und der Patient hat nach der Operation weniger Schmerzen. Auch wird die Gefahr, benachbartes Gewebe zu zerstören, stark verringert", sagt er. Wenngleich der Wasserstrahl in der Lage ist, unterschiedliche Gewebestrukturen sauber voneinander zu lösen, so hat er doch einen störenden Nachteil: Trifft er auf eine harte Struktur, dann spritzt es gewaltig. So mancher Mediziner bemerkte deshalb schon unwirsch: "Ich bin Chirurg, nicht Bademeister."

Mit diesem Problem hat sich über zwölf Jahre der Medizintechniker Andreas Pein auseinandergesetzt - mit Erfolg. Heute ist das Unternehmen mit seinen 34 Beschäftigten nach eigenem Bekunden weltweit Marktführer in Sachen Wasserstrahl-Skalpell. Hatten sich zuvor Mediziner mit den aus Industrie und Landwirtschaft entlehnten Systemen beschäftigt, zerbrach sich ab 1990 ein Techniker das Gehirn und erreichte die entscheidenden Verbesserungen.

Zunächst wurden die Düsen umgestaltet. Sie zwängen nun dem Wasserstrahl eine bohrerförmige Oberflächenstruktur auf. Dann ersetzten Pein und seine Mitstreiter das Drucksystem durch eine intelligente Softwarelösung, die eine den Gegebenheiten erforderliche Druckanpassung erlaubt. Und schließlich wurde das patentierte und von der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA zugelassene System Helix Hydro-Jet mit einer Absaugvorrichtung versehen, die Schluss macht mit Sprühwasser. Der Schweriner Wasser-Jet wird damit allen Anforderungen gerecht: Vom Ausspülen kranken Tumorgewebes ab einem Druck von ein bis zwei Bar bis hin zum Schneiden von Knochensubstanz bei 300 bar erfüllt er die gestellten Aufgaben.

Breite Anwendung im Test

"Der Wasserstrahl ist intelligenter als der Laser", resümiert Pein. Denn dieser macht beispielsweise vor Blutgefäßen nicht halt, die er verdampft. Zerstört er auch Nerven, können Lähmungen die Folge sein. In klinischen Studien wird derzeit getestet, ob der Hydro-Jet auch zur Behandlung des Grauen Stars, zum Lösen gelockerter Hüftprothesen oder zur Entfernung entzündeter Gelenkinnenhäute bei Rheuma taugt. Manche Ärzte halten es auch für denkbar, dass durch Zusatz von Zytostatika ein Verschleppen von Tumorzellen während der Operation vermieden werden kann.

Den weltweiten Vertrieb des Helix Hydro-Jet hat im Juni die Tübinger Erbe Elektromedizin GmbH übernommen. "Wir wollen jährlich 150 bis 200 der 90.000 Mark teuren Systeme absetzen", so Geschäftsführer Reiner Thede. Der Markt hänge davon ab, inwieweit derzeit laufende Studien weitere Anwendungsbereiche für das Wasserstrahl-Skalpell eröffnen. Konkurrenz droht lediglich von zwei Herstellern in Frankreich und den USA. Deren Geräte arbeiten aber mit hohen Drücken um die 2700 bar, sagt Pein und sieht darin den eigenen Wettbewerbsvorteil. Der soll durch die Verbesserung des Wirkungsgrades und durch Zubehör für den Einsatz in der minimal invasiven Chirurgie noch deutlich verbessert werden. Top

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