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Von unverletzlichen Männern und empfindlichen Frauen

13.12.1999  00:00 Uhr

- Medizin Govi-Verlag

Von unverletzlichen Männern
und empfindlichen Frauen

von Stephanie Czajka, Berlin

Beraten Sie als Mann denselben Kunden anders als Ihre Kollegin? Beraten Sie, ob männlich oder weiblich, Männer anders als Frauen? Von Ärzten ist bekannt, dass sie bei der Behandlung Unterschiede machen. Männer und Frauen berichten allerdings auch unterschiedlich über ihre Beschwerden. Diese Unterschiede sollten im Medizinbetrieb wahrgenommen, reflektiert und ausgeglichen werden, fand Sozialforscherin Dr. Petra Kolip von der Universität Zürich bei einer Publikumsveranstaltung des Tagesspiegels Anfang Dezember in Berlin.

Der Unterschied zwischen Mann und Frau ist eigentlich nicht groß. 27 Zentimeter lang sei der geschlechtsbestimmende Gen-Abschnitt auf dem Y-Chromosom, sagte Moderator Justin Westhoff. 2000 Kilometer lang ist der Rest des Genoms. Der biologische Unterschied allein erklärt aber nicht alles. Wie kann es sonst sein, dass die Krankenkassen Männern ebenso wie Frauen die Krebs-Früherkennungsuntersuchung bezahlen, dies aber den wenigsten Männern bekannt ist. Nur jeder Zehnte lasse sich untersuchen, sagte Dr. Manfred Richter-Reichhelm, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin. Anspruchsberechtigt sind Männer ab 45 Jahren. Bei der jährlichen Untersuchung tasten Urologe, Hausarzt, Internist oder Hautarzt Darm und Prostata ab und untersuchen Stuhlproben auf verborgenes Blut. Je früher ein Prostata-Tumor operiert wird, desto geringer ist die Gefahr für Impotenz oder Inkontinenz.

Was hält den Mann vom Arzt fern? Männer verarbeiten Angst anders als Frauen. Sie seien "Repressoren", sagte Professor Dr. Hans Peter Rosemeier vom Institut für Medizinische Psychologie der Freien Universität Berlin. Männer verdrängen Probleme. Selbst wenn sie Beschwerden haben, tun sie so, als ob diese unbedeutend seien. Frauen hingegen sind "Angst-Sensitizer". Sie gehen früh, vielleicht zu früh, zum Arzt. Periode und Geburten zwingen sie, über ihren Körper nachzudenken. Männer hingegen geben sich der Illusion der Unverletzlichkeit hin, solange sie sich gesund fühlen.

Bei Frauen werden Krankheiten daher früher erkannt als bei Männern. Aber durch die Beschäftigung mit sich selbst würden die Frauen häufiger depressiv, sagte Professor Dr. Dieter Kleiber, Gesundheitswissenschaftler an der Freien Universität Berlin. Bei Männern mangelt es hingegen nicht nur an der Bereitschaft, zu Früherkennungsuntersuchungen zu gehen, auch die Compliance ist oft schlechter.

Wie sich die Geschlechter darstellen, werden sie behandelt. Studien hätten gezeigt, dass Ärzte bei Frauen eher nach psychosomatischen Anteilen suchten und ihnen häufiger Beruhigungs- oder Schmerzmittel gäben, sagte Westhoff. Herzinfarkte werden seltener erkannt und mit geringerem Erfolg behandelt.

Zu den biologischen und psychischen Faktoren kommen gesellschaftliche Unterschiede. Lungenkrebs entsteht zum Beispiel weitgehend unabhängig von Hormonen. Dennoch war es bisher eine typische Männererkrankung. Inzwischen holen die Frauen jedoch auf. An manchen Schulen rauchen inzwischen 50 Prozent aller Mädchen. "Da kommt was auf uns zu", sagte Professor Dr. Klaus Hellriegel, Vorsitzender der Berliner Krebsgesellschaft. Möglicherweise verschärft sich das Problem bei Frauen, weil sie genetisch bedingt empfindlicher auf die Schadstoffe reagieren. Ein anderer sozialer Faktor ist die Doppelt- und Dreifachbelastung vieler Frauen. Kolip berichtete von einer Untersuchung an Frauen und Männern in gleich anspruchsvollen Berufen. Den Männern gelang es, sich nach Feierabend zu entspannen, den Frauen nicht.

Die Pille für den Mann

Von "Medikalisierung" sprechen Experten, wenn natürliche Vorgänge zum Problem erklärt werden. Frauen scheinen sich dabei als Zielgruppe anzubieten. Bei Präparaten gegen Klimakteriumsbeschwerden ist der Markt besonders groß und das Informationsbedürfnis enorm, wie sich an den Fragen aus dem Publikum zeigte. Nicht nur Sport und richtige Ernährung helfen, es gebe auch "lebensbiographische Möglichkeiten", sagte Rosemeier. Frauen mit größerem Selbstbewusstsein und einem anspruchsvollen Beruf hätten weniger Beschwerden.

Im Bereich der Kontrazeptiva ist die Gleichberechtigung auf dem Vormarsch. In Analogie zur Pille werden Testosteron-Gestagen-Kombinationen für Männer entwickelt, berichtete Dr. Ursula Habenicht, Wissenschaftlerin an der Universität Hamburg und bei der Schering AG. Die Produkte werden klinisch getestet, in fünf Jahren könnten sie auf den Markt kommen. Der große Nachteil: Es dauert vier bis sechs Monate bis sie wirken. Habenicht rechnet frühestens in zehn Jahren mit Präparaten, die die Reifung der Spermien in den Nebenhoden unterdrücken.

Was nützt die schönste Pille, wenn der Mann sie nicht nimmt? Die Grundbereitschaft sei bei zwei Dritteln aller Männer da, weiß Habenicht aus Umfragen. Allerdings haben die Umfragen auch ergeben, dass die Hälfte der Frauen den Männern in diesem Punkt nicht glauben würde.

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