Medizin |
17.11.1997 00:00 Uhr |
Medizin
Nichtraucher, die mit einem Raucher zusammenleben, haben ein stark erhöhtes
Risiko, an einer Koronaren Herzkrankheit (KHK) zu erkranken. Das hat jetzt eine
Studie des Department of Environmental and Preventive Medicine an der St
Bartholomews and The Royal London School of Medicine belegt.
Dazu erstellten die Forscher um M. R. Law eine Meta-Analyse von 19
epidemiologischen Studien, die sich mit dem Zusammenhang zwischen
Passivrauchen und KHK beschäftigten. Darüber hinaus untersuchten sie Studien, die
sich mit der Ernährung von Rauchern und Nichtrauchern beschäftigten.
Das Ergebnis: Passivrauchen erhöht das Risiko, an KHK zu erkranken um 30
Prozent. Die Forscher fanden dieses Ergebnis erstaunlich, da Raucher, die rund 20
Zigaretten am Tag rauchen, nur ein um 78 Prozent erhöhtes Risiko haben und
Passivraucher nur ein Prozent der Rauchmenge aufnehmen. Das KHK-Risiko eines
Nichtrauchers, der mit einem Raucher zusammenlebt, steigt aber auch
ernährungsbedingt an. Die meisten Nichtraucher, die mit Rauchern zusammenleben,
essen wenig Obst und Gemüse, so daß sie zu wenig Stoffe aufnehmen, die sie vor
KHK schützen. Damit lassen sich aber nur sechs Prozent des erhöhten Risikos
erklären. Als Ursache des stark erhöhten KHK-Risikos für Passivraucher vermuten
Law et al. einen Anstieg der Thrombozytenaggregation als akuten Effekt des
Passivrauchens.
Die Wissenschaftler fordern angesichts ihrer Untersuchungsergebnisse, Rauchen in
öffentlichen Gebäuden und an geschlossenen Arbeitsplätzen konsequenter zu
verhindern. Außerdem sprechen sie sich für eine breitere öffentliche Aufklärung aus,
um zu erreichen, daß Raucher das Risiko, dem sie ihre Familie aussetzen, erkennen.
Quelle: Law, M.R., et al., British Medical Journal Vol. 315, 18. Oktober 1997, 973-980.
Dem Zusammenhang zwischen Übergewicht und Insulinresistenz kamen jetzt
Wissenschaftler an der Harvard School of Public Health in Boston auf die Spur. Ein
wichtiger Mediator der Insulinresistenz bei Übergewicht ist nach ihren
Untersuchungen der Tumornekrosefaktor (TNF)-a. Schon vorher hatte man diesen
Zusammenhang angenommen, da TNF-a in adipösem Gewebe von Menschen und
Nagetieren überexprimiert ist.
Die Forscher um K. Teoman Uysal und Sarah M. Wiesbrock züchteten Mäuse
ohne TNF-a-Gen (TNF-a-/-). Mit Hilfe einer kalorien- und fettreichen Nahrung
erzeugten sie bei diesen Mäusen und den Wildtyp-Kontrolltieren (TNF-a+/+)
starkes Übergewicht. Vier Wochen nach Studienbeginn zeigte sich bei den
übergewichtigen TNF-a+/+-Mäusen eine Hyperinsulinämie, die sich kontinuierlich
verstärkte. Der Insulinspiegel der übergewichtigen TNF-a-/--Mäusen war signifikant
niedriger. Er entsprach dem normalgewichtiger Mäuse. Bei den Mäusegruppen ohne
Übergewicht ergaben sich keine Unterschiede in der Insulinresistenz zwischen
Wildtyp- und TNF-a-/--Mäusen.
Die Forscher erklären sich diese Ergebnisse mit einer Beteiligung von TNF-a an der
Störung des Fettstoffwechsels bei Übergewichtig. Sie fanden bei den
übergewichtigen TNF-a+/+-Mäusen höhere Spiegel frei zirkulierender Fettsäuren
als bei normalgewichtigen Mäusen. Dagegen entsprachen die Fettsäurespiegel der
übergewichtigen Mäuse ohne TNF-a-Gen denen normalgewichtiger Mäuse.
Durch eine Mutation der TNF-a-Rezeptor-Gene konnte bei Mäusen, die genetisch
bedingt übergewichtig waren, nur ein unvollständiger Schutz vor Insulinresistenz
erreicht werden. Das zeigt, daß nicht die TNF-a-Funktion allein, sondern eine
Kombination verschiedener Faktoren zur Insulinresistenz und Diabetes mellitus
Typ-II bei übergewichtigen Mäusen führt.
Quelle: Uysal, K.T., et al., Nature Vol. 389, 9. Oktober 1997, 610-614
Tag-Nacht-Rhythmus und auch langfristigere Aktivitätszyklen werden bei allen
Lebewesen nicht nur von außen durch Licht, Temperatur oder soziale Faktoren
bestimmt, sondern auch auf zellulärer Ebene durch endogene Faktoren. In den
vergangenen Jahren sind Wissenschaftler den molekularen Grundlagen dieser inneren
Uhr auf die Spur gekommen. Allerdings vorerst nur bei der Obstfliege Drosophila
melanogaster und anderen Insekten. Eine japanisch-amerikanische Arbeitsgruppe
hat jetzt mit Hilfe der PCR-Technik ein Analogon zum Zeitgeber-Gen der Obstfliege
bei Mäusen und Menschen nachgewiesen.
Das gefundene Gen entspricht dem per-Gen bei Drosophila, dessen Genprodukt
zusammen mit einem weiteren Protein die Aktivität des Zellkerns reguliert. Die
Forscher sind sich auch deshalb sicher, ein Schrittmacher-Gen gefunden zu haben,
weil sie sein Genprodukt, also das vom Gen kodierte Protein, vor allem im
suprachiasmatischen Nucleus gefunden haben, der als Schrittmacher im
menschlichen Gehirn bekannt ist.
Mit der Entdeckung der menschlichen per-Variante ist allerdings erst die halbe
Arbeit geleistet. "Jetzt beginnt die Suche nach einem Partner für das Protein,"
schreibt der Straßburger Molekularbiologe Paolo Sassone-Corsi in eine
Kommentar. Ein bestimmter Abschnitt des PER-Proteins soll dabei als "Köder"
eingesetzt werden. Die sogenannte PAS-Domäne sei wahrscheinlich der Abschnitt
auf dem PER-Protein, der mit dem zweiten, noch unbekannten Protein interagiere,
erwartet Sassone Corsi.
Quelle: Tel, H., et al., Nature, Vol. 389, 2. Oktober 1997, 512-516.
Sassone-Corsi, P., ebd., 443-444
Wenn Zellen in Streßsituationen geraten, etwa durch Hitze, einen Schlaganfall
oder Herzinfarkt, schützen sie sich vor schweren Schäden durch die Expression von
Hitzeschockproteinen (HSP). Diese Proteine haben cytoprotektive Effekte, deren
Mechanismus noch nicht genau aufgeklärt ist. Eine neue Untersuchung ungarischer
und italienischer Wissenschaftler hat gezeigt, daß das Hydroxylamin-Derivat
Bimoclomol die streßinduzierte Synthese eines der wichtigsten Hitzeschockproteine
um ein Vielfaches steigert. Die Wissenschaftler behandelten Kulturzellen mit
Bimoclomol und erhitzten sie dann für eine Stunde auf 42 °C. Die
Bimoclomol-Zellen produzierten im Vergleich zu nicht vorbehandelten Zellen deutlich
mehr Hitzeschockprotein HSP 70.
Offensichtlich hat Bimoclomol die positive Eigenschaft, die HSP-Synthese nur dann
anzuregen, wenn die Schutzproteine auch gebraucht werden, ohne Hitzebehandlung
stieg die HSP 70-Konzentration in den Zellen nicht an. Die Substanz wirkt also nur
als Produktionsverstärker. Aus diesem Grund scheint es keine unerwünschten
Wirkungen auszulösen.
Therapeutisch interessanter als die verstärkte Synthese bei Hitzestreß dürfte dieselbe
Beobachtung bei Zellen isolierter Mäuseherzen nach einem künstlichen Infarkt sein.
Die kardioprotektive Wirkung von Bimoclomol ist nach den Ergebnissen der Ungarn
und Italiener stark dosisabhängig. Auch die Überlebenschancen von Nervenzellen
nach einem Hirninfarkt werden durch Bimoclomol deutlich erhöht.
Ein weiteres potentielles Anwendungsgebiet für das Hydroxylamin-Derivat sind nicht
heilenden Wunden bei Diabetikern. HSP 70 ist eng mit der Wundheilung verbunden;
Versuche an diabetischen Mäusen konnten belegen, daß die Behandlung mit
Bimoclomol die Heilung von Wunden beschleunigt. Darüber hinaus schützt HSP 70
die Haut auch vor durch UVB-Strahlung verursachten Schäden.
Die Wissenschaftler bezeichnen Bimoclomol, das zur Zeit in klinischen
Phase-II-Studien getestet wird, als "erstes Molekül einer neuen Generation von
Arzneistoffen" ohne Nebenwirkungen und toxische Eigenschaften. Das Einsatzgebiet
ist nach ihrer Einschätzung riesig: Kardiovaskuläre Erkrankungen, Schlaganfall,
Transplantationen, Nierenversagen, Diabetes, Wundheilung und Krebs.
Quelle: Vigh, L., et al., Nature Medicine, Vol. 3, Oktober 1997
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