Antiandrogene stoppen den Haarverlust |
10.11.1997 00:00 Uhr |
Medizin
Rund 60 Prozent der Männer und 25 Prozent der Frauen leiden unter
androgenetischer Alopezie. Davon spricht man bei einer hormonell
bedingten Haarlosigkeit, wenn bereits mehr als ein Viertel der Kopfhaare
ausgefallen sind. Dr. Ralph M. Trüeb, der eine Haarsprechstunde an der
Dermatologischen Klinik in Zürich leitet, gab beim GD-Forum
Dermopharmazie im Rahmen des Expopharm-Kongresses in Düsseldorf
einen Überblick über die bisher verfügbaren Möglichkeiten, den
Haarverlust zu stoppen.
Haare haben eine hohe Bedeutung, so Trüeb. Sie übernehmen nicht nur -
insbesondere bei Frauen - eine immense soziale Funktion. Sie schützen den
Menschen auch vor UV-Strahlung und damit vor Hautkrebs. Jeder Mensch besitzt -
abhängig von der Haarfarbe - eine Gesamtzahl von 85000 bis 150000 Haarfollikeln.
Täglich wächst jedes Haar um 0,33 bis 0,5 Millimeter. Nach zwei bis acht Jahren ist
die Wachstumsphase, die sogenannte Anagenphase, eines Haares beendet. Es folgt
die Katagen- oder Ruhephase, die rund zwei bis vier Monate dauert. Dann fällt - in
der Telogenphase - das Haar aus, und es wächst ein neues nach.
Die androgenetische Alopezie ist genetisch bedingt und wird durch die vermehrte
Bildung von Androgenen gefördert. Dabei kommt es zu einer Verkürzung der
Anagenphase, der Haarschaft wird dünner. Die Haare fallen aus. Schließlich ist eine
zunehmende Ausdünnung der Kopfbehaarung sichtbar. Hinzu kommt in den meisten
Fällen eine Überfettung der übrigen Haare, weil nun im Verhältnis zu den Haaren
mehr Talgdrüsen existieren und die Talgdrüsen außerdem mehr Fett produzieren.
Schon früh kann man erkennen, ob eine Veranlagung zu androgenetischer Alopezie
besteht. Ein Zeichen für eine beginnende Alopezie sind kurze, dünne Haare am
Haaransatz. Bei einem Haarzugtest, bei dem mehr als fünf von 50 Haaren ausfallen,
besteht ebenfalls eine Neigung zu Alopezie. Mit Hilfe eines Trichogramms kann man
feststellen, in welcher Wachstumsphase sich eine Auswahl von Haaren gerade
befindet. Dazu werden rund 50 Haare ausgerissen und unter dem Mikroskop
untersucht. Je weniger Haare sich in der Anagenphase befinden, desto
wahrscheinlicher ist eine Alopezie. Neuere Untersuchungen haben außerdem
ergeben, daß sich bei rund 70 Prozent der von der Alopezie Betroffenen im
Kopfhautgewebe Entzündungszellen befinden. Hier wird ein Zusammenhang mit der
Apoptose vermutet, so Trüeb.
Inzwischen gibt es eine Reihe von Medikamenten und Haarwässern zur Behandlung
der Alopezie. Haarwuchsmitteln hängt jedoch, so Trüeb, der Ruf der Scharlatanerie
an. Es gebe aber sowohl topische als auch systemische Behandlungsmöglichkeiten,
die einen Wirksamkeitsnachweis erbracht haben. Als besonders wirksam hätten sich
Antiandrogene erwiesen. In mehr als 50 Prozent der Fälle sei damit der Haarausfall
reduziert worden, bei 13 Prozent habe man darüber hinaus das Haarwachstum
vermehren können, berichtete Trüeb. Der Nachteil: Antiandrogene sind nur bei
Frauen anwendbar und, so Trüeb, sie seien als topisches Arzneimittel unwirksam.
Die Wirksamkeit von Estrogenen, sowohl in der topischen als auch in der
systemischen Anwendung, werde kontrovers diskutiert. In 33 Prozent der Fälle
habe auch die topische Behandlung mit Minoxidil eine Befundbesserung gebracht. In
einigen Fällen habe es aber unerwünschte Wirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem
gegeben. Für Aminexil sei der Wirksamkeitsnachweis ohne eine Wirkung auf das
Herz-Kreislaufsystem erbracht.
Wichtig sei bei der Behandlung der androgenetischen Alopezie die psychologische
Führung, sagte Trüeb. Besonders bei Frauen gehe der Verlust der Haare mit einem
enormen psychischen Streß einher. Deshalb stelle auch die Behandlung der
Begleitsymptome wie Überfettung und Schuppen eine wichtige Aufgabe dar.
PZ-Artikel von Monika Noll, Düsseldorf
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