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Venenthrombosen erfolgreich vorbeugen

13.10.2003  00:00 Uhr
Langstreckenflüge

Venenthrombosen erfolgreich vorbeugen

von Hartmut Morck, Eschborn

Einen Zusammenhang zwischen Langstreckenflügen und tiefen Venenthrombosen haben mehrere Studien inzwischen hinreichend belegt. Geeignete Kompressionsstrümpfe zu tragen ist eine für die Passagiere leicht anwendbare und wirkungsvolle Präventionsmaßnahme.

Bereits 1856 hat Virchow Veränderungen der Gefäßwand, des Blutflusses und der Blutkonsistenz als Ursachen einer tiefen Venenthrombose (DVT = Deep Vein Thrombosis) definiert. Diese drei Faktoren können auch mit Langstreckenflügen in Verbindung gebracht werden, da die Passagiere über eine lange Zeit gezwungen sind, still zu sitzen, meist in nicht optimaler Sitzposition. Dadurch kann die Venenpumpe in den Beinen nicht effektiv arbeiten. Das Blut sackt in tiefere Regionen. Es kommt zur Hämokonzentration, aus der sich eine DVT entwickeln kann. Häufig wird diese Situation durch übermäßigen Alkoholgenuss während des Fluges verschärft. Denn Alkohol erweitert die Gefäße in der Peripherie, was dem Versacken des Blutes noch Vorschub leistet und den Rückfluss zusätzlich reduziert.

Forschungen zur DVT gehen auf Arbeiten aus den 40er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts zurück. Wissenschaftler hatten bereits zu dieser Zeit die Korrelation von DVT und langem Sitzen nachgewiesen. John M. Cruickshank nannte das Phänomen 1988 erstmals „Economy Class Syndrome“, als er anhand von sechs Fallstudien eine erhöhte DVT-Gefahr bei Langzeitflügen belegte. 2001 untersuchte John H. Scurr erstmals in einer randomisierten Kontrollstudie die Inzidenz der fluginduzierten DVT und gleichzeitig die Wirkung einer Kompressionstherapie als prophylaktische Maßnahme. Diese Studie bestätigte die Korrelation zwischen DVT und Flugreisen. 12 der 116 Passagiere in der Kontrollgruppe entwickelten eine DVT (fünf Männer und sieben Frauen). In der Therapiegruppe trugen 115 Passagiere Kompressionsstrümpfe bis zu den Knien mit einem Druck an den Knöcheln von 20 bis 30 mmHg. Bei keinem Teilnehmer aus dieser Gruppe trat eine DVT auf.

Die Lonflit-Studien

Die Lonflit-Studien (abgeleitet von Long Flight) von Gianni Belcaro, an denen insgesamt mehr als 5000 Flugpassagiere teilnahmen, hatten zum Ziel, das Problem der fluginduzierten DVT zu definieren und die Wirksamkeit präventiver Maßnahmen zu messen. Nach den Ergebnissen der ersten beiden Studien (Lonflit 1 und 2 aus dem Jahr 2001) lag die Inzidenz einer DVT bei Hochrisiko-Patienten auf Flügen, die zehn Stunden oder länger dauerten zwischen 2,8 und 4,5 Prozent. Zu den Hochrisiko-Gruppen zählen diejenigen, die entweder bereits eine DVT oder eine Beinthrombose hatten beziehungsweise Blutgerinnungsstörungen oder große Krampfadern aufwiesen oder in ihrer Mobilität eingeschränkt waren.

Die Lonflit-Studie 1 belegte zudem, dass die Inzidenz von DVT bei Passagieren auf Fenster- und Mittelsitzen höher war als bei den Passagieren, die einen Gangplatz hatten. Passagiere auf Gangplätzen im Flieger bewegen sich erfahrungsgemäß mehr als die anderen Passagiere.

Die Lonflit-Studie 3 (2002) belegte die Reduktion der DVT-Inzidenz bei Hochrisiko-Patienten nach der Gabe von niedermolekularem Heparin. Die Lonflit-Studie 4 (Concorde Edema-SSL-Studie, 2002) kam zu dem Ergebnis, dass die zur Prophylaxe eingesetzten Kompressionsstrümpfe (Scholl Flight Socks), die einen Kompressionsdruck von 14 bis 17 mmHg erzeugen, die Bildung von Ödemen unterdrücken und die Inzidenz der DVT auch bei einer Gruppe mit geringerem Risiko auf Langstreckenflügen (sieben bis zwölf Stunden) reduzieren: Von 179 Passagieren in der Kompressionsgruppe, die 7 oder 8 Stunden geflogen waren, entwickelte keiner eine tiefe oder superfaziale Venenthrombose. Hingegen trat bei vier der ebenfalls 179 Probanden der Kontrollgruppe eine DVT auf, bei zweien eine superfaziale Thrombose. Auch bei längeren Flügen (elf bis zwölf Stunden) entwickelte keiner der 142 Probanden aus der Kompressionsgruppe eine DVT oder eine superfaziale Thrombose. In der Kontrollgruppe mit 142 Passagieren erlitten drei Probanden eine DVT und einer eine superfaziale Thrombose.

Hochrisikopatienten 12 Stunden in der Luft

Im Juli 2003 veröffentlichten Gianni Belcaro und seine Mitarbeiter die Ergebnisse der vorerst letzten Lonflit-Studie, Lonflit 5, im Journal of Clinical and Applied Thrombosis and Hemostasis. Aufgenommen wurden , die 11,5 bis 12 Stunden flogen: 102 Passagiere gehörten zur Kontrollgruppe, 103 zur behandelten Gruppe. In der Behandlungsgruppe trat nur bei einem Patienten eine kleine, 0,4 Zentimeter lange, distale DVT auf, während in der Kontrollgruppe sechs Passagiere eine DVT entwickelten, aber keiner eine superfaziale Venenthrombose. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen war hoch signifikant.

Aus den Studien, besonders Lonflit 4 und 5, leitet Belcaro die Empfehlung ab, bei Langstreckenflügen zur Prävention einer DVT und superfazialer Venenthrombosen sowie Ödemen entsprechende Kompressionsstrümpfe, die für Flüge geeignet sind (Kompressiondruck 14 bis 17 mmHg), zu tragen. Sie sind leicht anzuwenden, haben keine Nebenwirkungen und werden von den Anwendern als angenehm empfunden. Unterschiede in der Wirksamkeit bei Frauen und Männern gibt es nicht. Top

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