Nichtrauchen muss Normalfall werden |
24.06.2002 00:00 Uhr |
von Eva Richter, Bonn
300 Raucher sterben täglich in Deutschland an den Folgen ihrer Sucht. Der volkswirtschaftliche Schaden durch Krankenbehandlung und Erwerbsunfähigkeit beläuft sich jährlich auf rund 17,5 Milliarden Euro. Grund genug, nun umzudenken.
Jugendliche greifen immer früher zum Glimmstängel: Das durchschnittliche Einstiegsalter ist auf 13,5 Jahre gesunken. Das erste Mal "probieren" Kinder mit durchschnittlich acht Jahren. Angesichts dieser unerfreulichen Zahlen sei ein anderer Umgang mit dem Problem "Rauchen" dringend erforderlich, forderte Uwe Prümel-Philippsen, Projektleiter des "WHO-Partnerschaftsprojektes Tabakabhängigkeit" in Deutschland auf der Projekt-Abschlusskonferenz in Bonn.
"Das Nichtrauchen muss der Normalfall werden", gab Marion Caspers-Merk als Ziel vor. "Das geht nur in einem Mix unterschiedlicher Maßnahmen zur Prävention und gesetzlichen Restriktion", erklärte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung und verwies auf zwei Gesetzesinitiativen: Nach der kürzlich vom Kabinett beschlossenen Neuregelung des Jugendschutzgesetzes wurde das Rauchverbot für Kinder unter 16 um ein Abgabeverbot erweitert. Weiterhin wurde die Arbeitsstättenverordnung geändert, um Nichtraucher besser zu schützen.
Zigarettenkaufen muss weh tun
Nach Ansicht des vor zehn Jahren gegründeten Aktionsbündnisses "Koalition gegen das Rauchen" sind diese Gesetzesinitiativen zwar ein wichtiger Schritt, wirksamstes Instrument sei jedoch eine deutliche Erhöhung der Tabaksteuer. "Der Zigarettenpreis sollte auf das Niveau von Großbritannien angehoben werden, das wären dann rund fünf Euro pro Schachtel", meint Wirtschaftsrecht-Professor Dr. Michael Adams von der Universität Hamburg. Davon ist die Politik weit entfernt: Die ab Januar 2003 geplante Erhöhung der Tabaksteuer beläuft sich auf etwa zwei Cent.
Nicht ganz glücklich zeigt sich das Aktionsbündnis auch mit der Vereinbarung zwischen dem Bundesgesundheitsministerium und dem Verband der Zigarettenindustrie: Die Tabakindustrie wird über einen Zeitraum von fünf Jahren 11,8 Millionen Euro zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren des Rauchens zur Verfügung stellen. "Mit der Vereinbarung geht die Bundesregierung keine politischen Verpflichtungen gegenüber der Zigarettenindustrie ein", beteuerte die Drogenbeauftragte. Mit einem umfassenden Tabakwerbeverbot und der Abschaffung der Zigarettenautomaten, wie von der Deutschen Krebshilfe gefordert, tut sich die Politik jedoch schwer.
Eine weitere Forderung der "Koalition gegen das Rauchen" ist,
die Strukturen der Raucherentwöhnung zu verbessern:
"Abrechnungsmöglichkeiten für Beratungs- und Behandlungsleistungen
der Ärzte sind noch nicht zufriedenstellend verankert", kritisiert
Prümel-Philippsen. Hier sei endlich eine angemessene Vergütung
erforderlich. Bei den Raucherentwöhnungsprodukten ist bislang nur der
Nikotinkaugummi nicht mehr verordnungspflichtig. Weitere Deregulierung
hinsichtlich eines freien Verkaufs von Nikotinersatzpräparaten seien für
Deutschland in nächster Zeit nicht vorgesehen. In Dänemark und
Großbritannien sind diese Präparate bereits jetzt nicht mehr
verordnungspflichtig.
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