Pharmazeutische Zeitung online

Ernährungsempfehlungen mit Evidenz

23.05.2005  00:00 Uhr
Diabetes

Ernährungsempfehlungen mit Evidenz

von Conny Becker, Berlin

Nachdem die Studiengruppe Diabetes und Ernährung (DNSG) mit ihren europäischen Leitlinien eine evidenzbasierte Ernährungsempfehlung verfasst hat, gibt es nun in Deutschland ein wissenschaftlich fundiertes Schulungsprogramm. Neben vielen bekannten Empfehlungen überraschen auch einige Neuerungen, etwa bei Alkohol oder Zucker.

Die auf europäischer Ebene erarbeiteten Ernährungsempfehlungen zur Behandlung und Prävention des Diabetes mellitus sollen nun an den Patienten gebracht werden. Dazu hat Dr. Monika Toeller vom Deutschen Diabetes Zentrum, Düsseldorf, im Auftrag der Deutschen Diabetes-Gesellschaft und unterstützt von Abbott Diabetes Care ein Schulungssystem entwickelt, das in Diabetesschulungen einfließen soll. Dass bei der Vielzahl von Diätempfehlungen nun Evidenzkriterien angelegt werden, ist gerade bei Diabetikern wichtig. Denn, so Toeller: »Die Ernährung ist bei Diabetes Therapie.«

So sollten übergewichtige Diabetiker ihren Body-Mass-Index von 25 kg/m2 auf einen Wert zwischen 18,5 und 25 kg/m2 senken. Denn Studien ergaben, dass schon eine moderate Gewichtsabnahme von weniger als 10 Prozent des Körpergewichts die Insulinempfindlichkeit und die Glucosetoleranz verbessert und Serumlipidspiegel sowie Blutdruck senkt. Das kardiovaskuläre Risiko wird dadurch besonders bei Personen mit einem erhöhten Taillen-Hüftumfang-Quotienten oder Taillenumfang gesenkt.

»6 Richtige für Diabetiker«

Als wesentlich gilt, den Anteil gesättigter Fette (»gehärtete/hydrierte Fette«) und trans-ungesättigter Fettsäuren auf unter 10 Prozent der Gesamtenergie zu begrenzen: also wenig Wurst, sichtbares Fett und fettreiches Gebäck oder Chips. Der Gesamtfettgehalt der Nahrung sollte maximal 35 Prozent betragen.

Zu bevorzugen sind dabei Nahrungsmittel mit Omega-3-Fettsäuren und mehrfach sowie einfach ungesättigten Fettsäuren, welche etwa 10 bis 20 Prozent der Gesamtenergiezufuhr betragen sollten. Das heißt, zwei- bis dreimal pro Woche fetten Fisch und Nüsse, Raps-, Soja- oder Olivenöl essen. Kontrollierte Diätinterventionsstudien konnten zeigen, dass der Ersatz von gesättigten Fettsäuren durch ungesättigte sowohl das LDL-Cholesterol senkt als auch die Insulinempfindlichkeit verbessert. Die Aufnahme von Cholesterol sollte 300 mg pro Tag nicht überschreiten und bei erhöhtem LDL-Wert weiter reduziert werden.

Nicht neu, aber empfehlenswert ist es zudem, reichlich, idealerweise mindestens 40 g Ballaststoffe pro Tag zu essen, davon die Hälfte lösliche. Dies erreicht man mit dem Verzehr von pflanzlichen Lebensmitteln, die reich an den unverdaulichen Quell- und Füllstoffen sind: Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte, die alle auch lösliche Ballaststoffe enthalten, oder Vollkorngetreideprodukte. Die Regel »Fünf am Tag«, gemeint sind Portionen Obst oder Gemüse, gilt somit für Diabetiker im besonderen Maße, da HbA1c- und Lipidwerte positiv beeinflusst werden. Zudem konnte eine ballaststoffreiche Kost in Studien den mittleren Blutglucosespiegel um 10 Prozent, den postprandialen Wert um 25 Prozent senken.

In Zeiten von Atkins- und Low-carb-Diäten gibt es laut Toeller keine Begründung für eine kohlenhydratarme Kost für Diabetiker. Diese sollten aber zu Nahrungsmitteln mit einem niedrigen glykämischen Index greifen. So lassen etwa naturbelassene pflanzliche Produkte, Hülsenfrüchte, Vollkornbrot, -reis oder -nudeln den Glucosespiegel im Blut nicht so rasch und steil ansteigen. Die Kohlenhydrataufnahme kann zwischen 45 und 60 Prozent der Gesamtenergie liegen. Einige Diabetiker können mit einer Aufnahme im unteren Bereich der Empfehlung einen erhöhten Lipidspiegel senken, sodass bei anhaltend hohen Werten eine solche Diät angebracht sein kann.

Neu ist, dass in Maßen (bis zu 50 g pro Tag) nun auch Saccharose und andere freie Zucker (alle Mono- und Disaccharide, die Lebensmitteln zugesetzt sind, sowie Zucker aus Honig, Zuckersirup oder Fruchtsaft) erlaubt sind. Das entspricht maximal 10 Prozent der Gesamtenergie. Gerade süße Getränke bergen allerdings die Gefahr, dass die Energieaufnahme und damit das Gewicht, die Fettmasse und die Plasmalipide bei sonst gleich bleibender Ernährung steigen.

Für Alkohol gilt entgegen früherer Empfehlungen kein generelles Verbot mehr. So gelten für Diabetes-Patienten dieselben Obergrenzen wie in der Allgemeinbevölkerung: Frauen dürfen bis zu 10, Männer bis zu 20 g Alkohol pro Tag genießen. Insulinpflichtige Diabetiker sollten ihr Glas Wein (0,2 l) oder die Flasche Bier (bei Frauen jeweils die Hälfte) allerdings zusammen mit einer kohlenhydratreichen Mahlzeit trinken, um Hypoglykämien zu vermeiden. So genanntes Diätbier, dem Kohlenhydrate entzogen werden, macht daher keinen Sinn. Patienten mit Übergewicht, Hypertonie oder Hypertriglyceridämie sollten den Konsum jedoch stärker einschränken, da Alkohol den Blutdruck, die Triglyceridwerte sowie das Körpergewicht erhöhen kann. Andererseits verbesserte eine moderate Alkoholaufnahme in Studien die HDL-Werte, die Blutgerinnung und die Insulinempfindlichkeit.

Als »überflüssig und nicht erforderlich« bezeichnete Toeller schließlich spezielle Diät- oder Diabetiker-Lebensmittel. Die Patienten könnten die üblichen Produkte in Maßen genießen.

Keine Empfehlung für Supplemente

Der Rat, die Proteinzufuhr einzuschränken, ist mittlerweile überholt. So können Patienten ohne Anzeichen einer Nephropathie wie in der westlichen Bevölkerung üblich 10 bis 20 Prozent der Gesamtenergie in Form von Proteinen aufnehmen. »Eine Beschränkung ist nur begründet bei Typ-1-Diabetes mit Mikroalbuminurie«, so die Expertin. Bei einer manifesten Nephropathie (Typ-1-Diabetes) sollte die tägliche Proteinaufnahme laut einer Metaanalyse bei 0,6 bis 0,8 g/kg Normalgewicht, das heißt, bei weniger als 10 Prozent liegen.

Bei Diabetikern ist sowohl von erniedrigten Magnesiumspiegeln als auch niedrigen Zink- und Chrom- sowie erhöhten Kupferkonzentrationen berichtet worden. Es gibt aber keine gute Evidenz und daher keine Empfehlung zur Supplementation von Antioxidantien, Vitaminen und Mineralstoffen. Zu bevorzugen sind Nahrungsmittel, in denen diese Stoffe natürlich vorkommen. Auch zu funktionellen Lebensmitteln bestehen keine konkreten Empfehlungen. Dagegen haben Studien gezeigt, dass eine moderate Begrenzung von Kochsalz den systolischen Blutdruck bei Typ-2-Diabetikern mit milder Hypertonie deutlich senken kann. Wie in der Allgemeinbevölkerung gilt auch für Diabetiker ein Grenzwert von 6 g pro Tag.

Schließlich hat eine geeignete Ernährung einen festen Stellenwert in der Prävention des Typ-2-Diabetes. Darunter versteht man eine Gesamtfettzufuhr von weniger als 30 Prozent, gesättigte Fettsäuren von weniger als 10 Prozent der Energiezufuhr und eine Ballaststoffaufnahme von mindestens 15 g pro 1000 kcal. Daneben vermindern körperliche Bewegung und Gewichtsreduktion um 5 bis 7 Prozent in Langzeitstudien das Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Top

© 2005 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa