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Partnerschaft als Schmerzmittel

06.03.2000  00:00 Uhr

- Medizin Govi-Verlag

Partnerschaft als Schmerzmittel

von Elke Wolf, Frankfurt am Main

Partner sind die besten Therapeuten - wenn sie es richtig machen. Angehörige von Schmerzpatienten können die chronischen Beschwerden beeinflussen, im Positiven wie im Negativen. Seitdem Forscher mit bildgebenden Verfahren das Schmerzgeschehen im Gehirn verfolgen können, lässt sich auch der Einfluss psychosozialer Faktoren auf die Schmerzverarbeitung kontrollieren. Wie die Unterstützung des Partners am besten ausfallen sollte, war auf dem Deutschen Schmerztag Anfang März in Frankfurt am Main zu erfahren.

Eine wichtige Erkenntnis im Schmerzgeschehen ist, dass der Schmerz zum Teil erlernt ist. "In dem Moment, in dem der Patient vom Gegenüber für sein Schmerzverhalten Zuwendung bekommt, verstärkt sich der Schmerz", erklärte die Psychologin Dr. Kati Thieme von der Humboldt-Universität Berlin. Lehnt der Kranke zum Beispiel den Vorschlag seines gesunden Partners, eine Radtour zu machen, auf Grund seiner Beschwerden ab, und geht dieser mitleidsvoll darauf ein, so wird der Patient für sein Schmerzverhalten belohnt. Der Patient lernt unbewusst: "Wenn ich klage, bekomme ich Zuwendung." Das fördert das Schmerzverhalten und lähmt gleichzeitig seine Aktivität. Genauso falsch wäre jedoch die Reaktion des Freundes, allein zur Radtour aufzubrechen. Diese bestrafende Reaktion könnte den Patienten zwar vielleicht dazu bringen, sich doch noch aufzuraffen, führt aber leicht zu emotionaler Verstimmung. Die Folge wären vermehrte Schmerzen.

Die günstigste Verhaltensweise ist folgende. "Lenken Sie den kranken Partner ab, setzen Sie positive Signale", riet Thieme. Um beim Beispiel Radtour zu bleiben: Am besten ignoriert der Gesunde die Bedenken des kranken Partners, schiebt einfach die Räder vor die Haustür und sagte: "Wenn wir erstmal unterwegs sind, geht es dir besser." Thieme: "Wichtig dabei ist, dass sich der Gesunde nicht vom Partner abwendet. Er soll den Schmerz ignorieren, nicht den Menschen."

Eine Studie mit 42 Fibromyalgie-Patientinnen und deren Lebenspartnern belegt den Erfolg dieser Verhaltensweise. Neben Instruktionen der Partner erhielten die Patientinnen über fünf Wochen spezielle psychologische Therapiesitzungen, außerdem ihre gewohnte medikamentöse und physikalische Therapie. In der Nachbeobachtungszeit von zwölf bis 15 Monaten reduzierte sich der Anteil der Arzneimittel um 62 Prozent. "Zusätzlich verringerte sich die Schmerzintensität und der Grad der Bewegungseinschränkung", sagte Thieme.

Den Schmerz positiv besetzen

Hanne Seemann, Psychologin an der Universität Heidelberg, rät, Emotionen zu akzeptieren und dann positiv zu beeinflussen. Dann lasse sich die Dauerpein besser ertragen. Die Stimmungslage sei wesentlich für die Einstellung zu einer Krankheit verantwortlich. Allerdings: "Man kann nicht so tun, als spüre man keinen Schmerz, als wäre man noch nicht einmal traurig." Die Stimmung lasse sich nicht mit Gewalt in eine andere Richtung zerren, man müsse eine niedergeschlagene Stimmung erst annehmen und würdigen, um dann herauszugehen und heiter zu werden. Dabei könne der Partner helfen. "Er kann die Fantasie des Kranken anregen, schöne Erinnerungen wachrufen, etwa durch angenehme Musik." Durch konkrete Auseinandersetzung mit der Krankheit werden Hilflosigkeit, Anspannung oder Furcht signifikant verringert, berichtete Seemann von einer Studie mit 146 Krebsschmerzpatienten.

Dem Schmerz auf der Spur

Mit bildgebenden Verfahren wie der Magnet- und der Elektro-Enzephalographie können Wissenschaftler heute dem menschlichen Gehirn dabei zusehen, wie das Gefühl Schmerz entsteht. Sie sehen auch, was sich im Zentralorgan verändert, wenn chronischer Schmerz den Besitzer über längere Zeit quält (siehe auch PZ 38/99 und PZ 50/99). "Mit den bildgebenden Verfahren kann zum Beispiel die Aktivität von Nervenzellen in verschiedenen Gebieten des Großhirns nach schmerzhaften Reizen messen", erklärte Professor Dr. Burkhart Bromm vom Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf.

Die emotionale Komponente des Schmerzes, also das Quälende oder Widerliche, wird im Limbischen System verarbeitet, einem komplexen Gebilde aus mehreren Hirnstrukturen, das an der Entstehung der Gefühle und gefühlbetonter Verhaltensweisen beteiligt ist. Wesentlichen Anteil daran nimmt das Areal, das Neurophysiologen als Gyrus cinguli bezeichnen. Psychologische Strategien beeinflussen die Schmerzverarbeitung im Gyrus cinguli ebenso wie Medikamente (siehe Abbildung), wie sich durch die Magnet- und die Elektro-Enzephalographie nachweisen lässt. Bromm: "Wir wissen, dass Ablenkung vom Schmerzgeschehen und Opioide die Aktivität der Neuronen im Gyrus cinguli herunterfahren. Das verändert markant den Schmerzcharakter."

Wichtigste Regel bei der Behandlung von Schmerzpatienten: Der Schmerz darf nicht chronifizieren. Das Nervensystem darf die Pein nicht lernen, sonst etabliert sich eine Schmerzspur, das Schmerzgedächtnis. Deshalb ist es so wichtig, Analgetika nach der Uhrzeit und nicht nach Bedarf einzunehmen. Das gilt auch für Opioide. Der Schmerz muss rund um die Uhr zuverlässig gekappt werden, zum Beispiel mit Opioiden in retardierter Formulierung.

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