Ärzte sollten bei der Verordnung unter anderem auf Eindeutigkeit und Lesbarkeit achten. / Foto: Adobe Stock/Henrik Dolle
Die Arzneimitteltherapie gehört zu den wichtigsten Bereichen der medizinischen Versorgung. Gleichzeitig ist sie besonders anfällig für Fehler: Geschätzte 250.000 Krankenhauseinweisungen jährlich sind auf vermeidbare Medikationsfehler zurückzuführen. Das zeigte die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP bereits im Februar 2018. Eine aktuelle Studie geht von 237 Millionen Medikationsfehlern jährlich allein in England aus, die mindestens 1700 Menschen jedes Jahr das Leben kosten. Dabei passiere jeder fünfte Fehler bereits bei der Verordnung.
Um für Patienten und medizinisches Personal die Arzneimitteltherapiesicherheit zu erhöhen, hat das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) nun eine Handlungsempfehlung »Gute Verordnungspraxis« herausgegeben, in der die Bedeutung der Dokumentation des detaillierten Ablaufs der Arzneimitteltherapie, also des Medikationsprozesses hervorgehoben wird. Diese Empfehlung richtet sich sektorenübergreifend an Ärzte, Apotheker, Pharmazeutisch-Technische-Assistenten (PTA), Medizinische Fachangestellte, Pflegepersonal, Patienten und unterstützende Angehörige. Dazu haben Experten des APS analysiert, wo häufige Fehlerquellen in der Umsetzung von Verordnungen liegen, und unter Berücksichtigung von internationalen Empfehlungen und nationalen Quellen entsprechende Empfehlungen zur Sicherstellung einer unmissverständlichen und vollständigen Dokumentation gegeben.
Ob Dosierung, Einnahmehäufigkeit, Hinweise zur Teilbarkeit, exakte Einnahmezeiten oder Art der Applikation: Danach soll nicht nur jede Patientenakte, sondern auch jede ärztliche Arzneimittel-Verordnung derart eindeutig, konkret, gut lesbar, vollständig und unmissverständlich dokumentiert werden, dass auch weiter behandelnde Ärzte, Apotheker und Pflegekräfte dieser Verordnung ohne Unsicherheiten entnehmen können, welches Medikament wie lange und auf welche Weise angewendet werden soll.
Dabei müsse gegebenenfalls im Rahmen schriftlicher (Zusatz)Informationen auch dem Recht des Patienten auf verständliche Erläuterung der Diagnose beziehungsweise der Charakteristika der zu ergreifenden Therapiemaßnahmen inklusive Nebenwirkungen nachgekommen werden. Die Verordnung sollte optimaler Weise den Namen des Präparates und den Namen des Wirkstoffs enthalten.
»Fehler im Medikationsprozess kommen häufig vor und sind meistens vermeidbar«, betont Dr. Ruth Hecker, Vorsitzende des APS in einer Mitteilung des Bündnisses zur Herausgabe der Handlungsempfehlungen. Das sei auch für das medizinische Personal belastend und könne dazu führen, dass sich Ärzte oder Pflegekräfte bei aufgetretenen Patientenschäden Vorwürfe machen. »Mit der neuen Handlungsempfehlung wollen wir nicht nur die Sicherheit der Patienten stärken, sondern auch Institutionen, Ärzten und medizinischem Personal eine Unterstützung an die Hand geben, die ihnen hilft, die Dokumentationsqualität zu verbessern und damit Missverständnisse und ungewollte Medikationsfehler zu vermeiden«, so Hecker.
Die Empfehlungen des Arbeitskreises, die sich auf Standardverordnungen und nicht auf Sonderfälle wie Betäubungsmittel, den Off-Label-Use von Medikamenten oder medikamentöse Therapien spezieller Risikopatienten und -situationen beziehen, basieren auf professionellen Analysen der häufigsten Fehlerquellen bei der Umsetzung von Verordnungen im Alltag. Sie heben nicht zuletzt gute Lesbarkeit und Verständlichkeit zum Beispiel auch durch Vermeidung von Abkürzungen für Wirkstoffe sowie Hinweise zur vollständigen Beschreibung des Arzneimittels selbst als notwendig hervor.
Die Handlungsempfehlung »Gute Verordnungspraxis in der Arzneimitteltherapie« liegt auf der Website des APS sowohl als Langfassung mit ergänzenden Erläuterungen und Interpretationshilfen für den stationären und ambulanten Sektor sowie als Kurzfassung und auch im Kitteltaschenformat vor.