Medikation im Biorhythmus |
Daniela Hüttemann |
15.04.2024 14:00 Uhr |
Auch Krankheitssymptome gehorchen einem gewissen Biorhythmus. Am tödlichsten sind übrigens die frühen Morgenstunden, informierte Professor Dr. Thomas Herdegen, Uni Kiel. / Foto: PZ/Daniela Hüttemann
Schlaf, Körpertemperatur und Leistungsfähigkeit: Unser Körper gehorcht einem täglichen Biorhythmus, sogar jedes Organ und jede einzelne Zelle, erklärte der Pharmakologie-Professor Dr. Thomas Herdegen, Uni Kiel, vergangenes Wochenende beim Niedersächsischen Apothekertag in Osnabrück. Auch Krankheitssymptome folgten einem täglichen Rhythmus.
»Viele Krankheiten haben ein tageszeitliches Maximum und Minimum«, erklärte der Referent. »Die nächtlichen Asthmaanfälle zwischen 3 und 4 Uhr morgens, die rheumatischen Arthritiden morgens ab 6 Uhr oder der Tod mit seinem morgendlichen Maximum, während zur Happy Hour zwischen 17 und 18 Uhr am wenigsten gestorben wird.« Letzteres liege am Verlauf des Cortisol-Spiegels. Auch Wirkung und Verträglichkeit von Medikamenten können sich im Tagesverlauf unterscheiden.
Dementsprechend sollte man auch die Medikamentengabe an den Biorhythmus beziehungsweise den täglichen Krankheitsverlauf anpassen. Eines der bekanntesten Beispiele ist das Schilddrüsenhormon L-Thyroxin, das morgens gegeben wird, um nicht TSH-suppressiv zu wirken. H2-Blocker gibt man abends, um die maximale Histamin-Sekretion im Magen am effektivsten zu hemmen. Ebenso fangen abendlich gegebene Statine das Maximum der HMG-CoA-Reduktase-Aktivität besser ab. Und das Antidiabetikum Metformin werde bevorzugt als »Bed-formin« gegeben, gegen eine erhöhte nächtliche Gluconeogenese.
»Die optimale zeitliche Gabe ist allerdings oft nicht realisierbar« schränkte Herdegen ein. »Die Verträglichkeit vieler Schmerzmittel beispielsweise ist abends besser, doch nützt das wenig, wenn die Schmerzen morgens am stärksten sind.« Oder Diuretika: Sie wirken gut gegen nächtlichen Bluthochdruck, allerdings muss der Patient gegebenenfalls nachts aufstehen zum Wasserlassen, was mit einer erhöhten Sturzgefahr einhergeht. Hier empfahl der Arzt, auf andere Antihypertensiva zurückzugreifen.
Zum Teil sei auch noch nicht endgültig erforscht, wann manche Medikamente optimal gegeben werden sollten (Blutdrucksenker morgens oder abends, Checkpoint-Inhibitoren und Zytostatika), sodass noch keine Empfehlungen in den Leitlinien oder Fachinformationen gegeben werden.
Das Gute: Moderne Arzneimittel haben oft eine lange Wirkdauer, zum Beispiel durch Retardierung. Dann spielt die Chronopharmakologie kaum noch eine Rolle.