Medienverbände werfen Spahn Missachtung der Pressefreiheit vor |
Die Medienverbände BDZV und der VDZ kritisieren die BMG-Google-Kooperation und fordern die EU-Kommission dazu auf, Google näher unter die Lupe zu nehmen. / Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto
Am Dienstag gab das Bundesgesundheitsministerium (BMG) eine Kooperation mit dem US-amerikanischen Internetgiganten Google bekannt. Mit dieser Zusammenarbeit will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Reichweite des kürzlich gestarteten Nationalen Gesundheitsportals sichtbarer machen. Mithilfe von sogenannter Knowledge Panels sollen die Gesundheitsinformationen des staatlichen Portals künftig direkt unter der Google-Suchzeile auftauchen.
Nach der Bekanntgabe formte sich jedoch rasch Kritik aus den Zeitschriften-, Verleger- und Verlagsreihen. Die Befürchtung: Ein Angriff auf die Pressefreiheit und eine Benachteiligung der privatwirtschaftlichen Presse-Unternehmen. Insbesondere der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), aber auch weitere Medienvertreter reagierten mit scharfer Kritik. »Schon dass ein Bundesministerium überhaupt ein eigenes Fachmedium mit vollwertiger redaktioneller Berichterstattung über Gesundheitsfragen betreibt, ist mit der Staatsfreiheit der Medien nicht vereinbar und ein unannehmbarer Eingriff in den freien Pressemarkt, der sich nach wirtschaftlichen Grundsätzen finanzieren muss«, erklärte Rudolf Thiemann, Präsident der Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger und geschäftsführender Gesellschafter der Liborius-Verlagsgruppe.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) betonte in den vergangenen Jahren in mehreren Urteilsentscheidungen die Wichtigkeit der sogenannten Staatsfreiheit des Rundfunks und der Medien. In Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes heißt es: »Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet«. Dieser Grundsatz sichert laut BVerfG die Meinungsvielfalt und soll die mittelbaren und unmittelbaren Einflussnahmen des Staates verhindern (siehe BVerfGE 121,30).
Thiemann befürchtet allerdings genau diese Einflussnahme des Staats. Er erklärte weiter: »Nun aber lässt das Bundesgesundheitsministerium seine Gesundheitsberichterstattung auch noch durch das Quasi-Suchmonopol an allen Verlagsangeboten vorbei privilegiert verbreiten. Eine solche Verdrängung der privaten Presse durch ein staatliches Medienangebot auf einer digitalen Megaplattform ist ein einmaliger und neuartiger Angriff auf die Pressefreiheit.«
Auch der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), Dietmar Wolff, teilt laut dpa-Mitteilung diese Befürchtung: »Es stärkt damit die quasimonopolistische Stellung des Suchmaschinenkonzerns zu Lasten kleinerer Anbieter.« Gerade in den vergangenen Monaten der Coronavirus-Pandemie hätten Zeitungen gezeigt, dass sie mindestens genauso verlässlich wie das vom Ministerium finanzierte Gesundheitsportal umfassend und nah an den Bedürfnissen der Bürger informierten.
Auch der VDZ kritisiert, dass das BMG mit der Betonung der verlässlichen Informationen des staatlichen Gesundheitsportals den Verlagen unterstellt, dass diese weniger verlässliche Informationen bieten. Der Verband betont: »Während private Angebote seit Jahren durch große Teams von hochqualifizierten Medizinjournalisten aufgebaut werden, wurde die Gesundheitsplattform von Bundesgesundheitsminister Spahn jüngst ausgeschrieben und innerhalb kurzer Zeit von einer Berliner Agentur mit Inhalten befüllt.« Der von Bundesgesundheitsminister Spahn behauptete Qualitätsunterschied bestehe nicht, jedenfalls nicht zugunsten des staatlichen Angebots, so der VDZ. Die Aufsichtsratsvorsitzende der Funke Mediengruppe, Julia Becker, erklärte ebenfalls laut dpa-Meldung, dass die Kooperation privatwirtschaftliche Angebote pauschal diskriminiere. Das könne man so nicht hinnehmen.
Das BMG wehrt die Kritik ab und bekräftigt, dass die Suchergebnisse durch die Kooperation nicht beeinträchtigt werden würden. Auf Anfrage der PZ erklärte das BMG: »Die Kritik des BDZV gegen die Kooperation mit Google geht von falschen Prämissen aus. Die eigentlichen Suchergebnisse werden dadurch in keiner Weise beeinträchtigt. Vielmehr spielt Google – wie auch in anderen Themengebieten – nur sogenannte Knowledge Panels aus. Darin ist der Hinweis auf das Gesundheitsportal des Bundes gesund.bund.de integriert. Dieses Portal wird anders als andere Gesundheitsportale nicht durch Werbung finanziert, sondern basiert ausschließlich auf wissenschaftlicher Expertise. Diese fachlich fundierte Information zu Gesundheitsthemen einfacher zugänglich zu machen, ist Sinn der Kooperation mit Google.«
Gegen Google selbst möchten die Verbände BDZV und VDZ zudem weiter vorgehen. In einem offenen Brief wandten sich die Verbände mit vielen weiteren Unternehmen und Verbänden an die EU-Kommission. Die Forderung: Konkrete Sanktionen gegen Googles Praktik, eigene Dienste in den Suchergebnissen zu bevorzugen. Der Brief an die Exekutiv-Vizepräsidentin und EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager wurde gestern versendet und veröffentlicht. Insgesamt 135 Unternehmen und 35 Industrieverbände der Digitalwirtschaft aus der EU unterzeichneten den Brief.