Mailaktion gegen Cannabis-Versandverbot |
| Cornelia Dölger |
| 17.11.2025 15:00 Uhr |
Fernverschreibung und Versand von Medizinalcannabis will das Bundesgesundheitsministerium verbieten. / © Getty Images/Heath Korvola
Mit verschärften Regeln für Onlineverschreibung sowie Versand von Cannabisblüten will das Bundesgesundheitsministerium (BMG) Missbrauch begegnen. Dafür soll der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes (MedCanG) sorgen, der unlängst vom Kabinett abgesegnet wurde.
Kritiker, etwa der Deutsche Hanfverband (DHV), sehen das Vorhaben als Angriff auf die Versorgungssicherheit von Cannabispatienten. Gegen die geplante Verschärfung hat er Verband nun eine Mailaktion gestartet, bei der »lokale« Abgeordnete zu dem Thema angeschrieben werden können. Der Entwurf soll Anfang kommenden Jahres im Bundestag beschlossen werden.
Ursprünglich hatte man nur Unionsabgeordnete auf der Agenda, heißt es vom DHV. Weil aus der SPD allerdings »zunehmend unkritische Äußerungen zum Gesetzentwurf« gekommen seien, habe man die Aktion entsprechend ausgeweitet.
Als ein Argument in dem Beispielanschreiben heißt es, dass stationäre Apotheken »die Vielfalt an medizinischen Cannabisvarianten« nicht vorrätig haben könnten. »Sie müssen die Arzneimittel in der Regel erst bestellen und verkaufen sie zu wesentlich höheren Preisen als Versandapotheken.« Daher sei der Versandhandel über Plattformen unbedingt aufrechtzuerhalten, um die Versorgung von Cannabispatienten zu sichern. »Die vorgesehenen Verbote von Telemedizin-Verordnungen und Apothekenversand für Cannabis würden die Versorgung verschlechtern, Praxen belasten und Patienten zurück in den Schwarzmarkt drängen.«
Den Vertrieb über die Plattformen sieht das BMG hingegen als Risiko. Insbesondere auf Telemedizinplattformen sind Verordnungen leicht zu bekommen, seit Cannabisblüten mit der Teillegalisierung aus dem Betäubungsmittelgesetz entlassen wurden. Oft genügt es, einen Gesundheits-Fragebogen auszufüllen, um an ein telemedizinisch ausgestelltes Rezept zu kommen.
Dass die Importzahlen für Cannabisblüten seither in die Höhe geschnellt sind, während die Verordnungen zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung nur leicht stiegen, ist für das BMG ein Alarmzeichen; allzu einfach sei der Zugang, zudem werde die Grenze zwischen medizinischem und Genussgebrauch verwischt. Mit dem MedCanG soll der florierende Onlinehandel abgeschaltet werden. Zentrale Inhalte sind besagtes Versandverbot sowie die Pflicht zum persönlichen Arztkontakt bei Erst- und Folgeverschreibungen.
Im Sommer legte das BMG den Referentenentwurf vor, Anfang Oktober segnete das Bundeskabinett ihn ab. Am 5. November beriet der Gesundheitsausschuss des Bundesrats darüber. Die Bundestagsabstimmung ist für Anfang 2026 geplant. Das BMG sieht dem weiteren Verlauf gelassen entgegen. Man habe vor, das durch die laxe Verschreibungspraxis entstandene Sucht- und Gesundheitsrisiko zu senken, dazu würden »durch nationale Vorgaben« die Möglichkeit der telemedizinischen Verschreibung eingeschränkt, so ein Sprecher auf PZ-Anfrage.
Der Gesundheitsausschuss des Bundesrats hat allerdings noch Fragen. Insbesondere die Neuregelung zum vorgeschriebenen Arztkontakt solle die Länderkammer hinterfragen, empfiehlt der Ausschuss. Nach geltender Rechtslage sei im Fall des begründeten Verdachts eines Verstoßes gegen diese Regelung »keine unabhängige Prüfung möglich, ob die Vorgaben eingehalten wurden«, monieren die Ausschussmitglieder. Hier möge der Bundesrat das BMG auffordern, eine entsprechende rechtssichere Lösung zu finden. Der Bundesrat soll an diesem Freitag über die Ausschussempfehlung entscheiden.
Dass das Gesetz womöglich auf EU-rechtliche Hürden stoßen wird, brachte die Rechtsanwaltskanzlei Taylor Wessing unlängst ins Spiel. Die international tätige Wirtschaftskanzlei schlug bereits Mitte September in einem Briefing zur Telemedizin den Bogen von einem jüngst ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu den aktuellen BMG-Plänen. Wie die strengeren Regeln national umgesetzt werden sollen, wirft demnach zumindest Fragen auf.
Zugrunde liegt der Einschätzung ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom vergangenen September (C-115/24 ) zur grenzüberschreitenden Telemedizin. Darin geht es um die Klage der österreichischen Zahnärztekammer gegen eine deutsch-österreichische Kooperation bei ästhetischen Zahnkorrekturen.
Eine Zahnärztin in Österreich führte Voruntersuchungen, Scans und Aufklärungsgespräche persönlich durch. Behandlung und Nachbetreuung erfolgten digital über die in Deutschland ansässige Plattform DrSmile und die Deutsche Zahnklinik GmbH. Die österreichische Zahnärztekammer sah darin einen Verstoß gegen das nationale Berufsrecht und wollte die Kooperation rechtlich stoppen.
Die Luxemburger Richter erklärten die grenzüberschreitende Tätigkeit der deutschen Plattform allerdings für grundsätzlich zulässig. Zudem stellten sie klar, dass für die digitale Nachbetreuung das Recht des Herkunftslandes, in diesem Fall Deutschland, gelte. Lokale medizinische Leistungen müssten nach österreichischem Recht bewertet werden.
Der EuGH stellte also klar, dass bei Telemedizin das Recht des Herkunftslandes des Leistungserbringers gilt – nicht das des Patienten. Damit habe der EuGH das so genannte Herkunftslandsprinzip gestärkt. Nationale Beschränkungen, wie nun durch das BMG geplant, könnten dem entgegenstehen, so die Expertinnen und Experten der Wirtschaftskanzlei. Die Vermutung: »Länder mit weniger strengen Vorgaben als etwa Deutschland könnten sich dadurch weiterhin und verstärkt als attraktive Standorte für den Aufbau und die Expansion telemedizinischer Plattformmodelle etablieren.«
Zudem habe das Urteil klargestellt, dass im Rahmen telemedizinischer Leistungen kein räumlicher Kontakt zwischen Arzt und Patient bestehen dürfe. »Eine gleichzeitige physische Anwesenheit von Patient und Dienstleister schließt damit die Einordnung der Gesamtbehandlung als Telemedizin aus – unabhängig von der Komplexität der Behandlung«, heißt es. Eben dieses physische Zusammentreffen ist aber laut den Änderungsplänen zum MedCanG geplant.