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Meister der Makromoleküle

17.03.2003  00:00 Uhr
Hermann Staudinger

Meister der Makromoleküle

von Bernard Unterhalt, Marburg

Vor 50 Jahren erhielt Hermann Franz Adolf Staudinger den Nobelpreis für Chemie. Ausgezeichnet wurden seine langjährigen Forschungen auf dem Gebiet der Makromolekularchemie, „die der Kunststoffindustrie wichtige und nützliche Anregungen gegeben haben.“ Fast vergessen ist die Tatsache, dass seine Arbeiten über die hochmolekularen Verbindungen zwischen 1920 und 1930 von Fachgenossen vehement bekämpft wurden.

"Sie haben früher so schöne Arbeiten auf dem klassisch organischen Gebiet gemacht; nehmen Sie diese wieder auf, und vergeuden Sie Ihre Zeit nicht mit der Schmierenchemie ", sagte ein Kollege zu ihm.

Staudinger war der Sohn eines Gymnasialprofessors aus Worms. Nach dem Besuch des Gymnasiums seiner Vaterstadt wollte er in Halle/Saale sein Lieblingsfach Botanik bei dem bekannten Botaniker Klebs studieren. Auf Anraten seines Vaters und aus Freude am Synthetisieren neuer Stoffe wandte er sich jedoch der Chemie zu. Die Studien setzte er 1900 in Darmstadt sowie 1901 in München fort und wurde 1903 in Halle bei Daniel Vorländer mit der Arbeit "Anlagerung des Malonesters an ungesättigte Verbindungen" zum Dr. phil. promoviert. Es folgte ein Semester als Privatassistent bei Oskar Doebner sowie ab Herbst 1903 eine Assistententätigkeit bei Friedrich Karl Johannes Thiele in Straßburg. Die eingehende Beschäftigung mit den reaktionsfähigen substituierten Ketenen - er stellte 1905 Diphenylketen her - führte 1907 zur Habilitation und zur Berufung auf eine außerordentliche Professur in Karlsruhe. Hieran schloss sich 1912 der Wechsel an die ETH Zürich als Nachfolger von Richard Martin Willstätter an. Fritz Haber meinte dazu, "nun sei die schöne Zeit der ungestörten Arbeit vorbei". Die Ergebnisse der Ketenchemie erschienen 1912 in einem zusammenfassenden Werk.

Professuren in Zürich und Freiburg

Haber sollte nur zum Teil Recht behalten; denn in Zürich begann Staudinger neben seinen klassischen Arbeiten, erwähnt seien nur die Pyrethrine im Dalmatiner Insektenpulver, mit bahnbrechenden Überlegungen zur Polymerchemie. Nach Untersuchungen über Naturkautschuk, Polyisopren, Polystyrol und Polyoxymethylen postulierte er 1920, dass organische Moleküle im Sinne der Kekulé'schen Strukturlehre riesig groß und aus Hunderttausenden von Atomen gebildet sein können, die kettenförmig durch Hauptvalenzbindungen verknüpft sind. 1922 prägte er den Begriff "Makromoleküle".

Staudinger stand damit im Gegensatz zu vielen Fachgenossen, die die Micellartheorie vertraten und die Kolloidteilchen polymerer Lösungen analog Seifenmicellen als Aggregate kleiner Moleküle betrachteten. Sie gingen sogar so weit, seine Arbeiten als unglaubwürdig abzulehnen.

Staudinger musste in dieser Zeit hart um sein Ansehen ringen. Er lehnte Rufe nach Graz und Hamburg ab, nahm aber 1926 einen Ruf an die Universität in Freiburg im Breisgau als Nachfolger von Heinrich Otto Wieland an. Unbeirrt setzte er seine Forschungen fort. Durch Viskositätsmessungen an Makromolekülen zur Bestimmung ihrer mittleren Molmasse sowie durch die Hydrierung von Kautschuk und die Endgruppenbestimmung von acetylierter Cellulose und Polyvinylacetat bewies er seine Vorstellungen.

Er erkannte darüber hinaus, dass die makromolekulare Chemie das Bindeglied zwischen niedermolekularer organischer Chemie und Biochemie sowie Biologie ist, denn bei Proteinen, Enzymen, Nucleinsäuren und Viren handelt es sich ebenfalls um Riesenmoleküle. Seine Erkenntnisse wurden von der bis dahin rein empirisch arbeitenden Kunststoffindustrie aufgegriffen und fanden mit den Vollsynthesefasern ihre glanzvolle Bestätigung.

Hermann Staudinger war ein hervorragender Wissenschaftler von ungeheurer Arbeitskraft, der bei allem Selbstbewusstsein stets bescheiden blieb. Sein Werk ist in mehr als 800 Publikationen niedergelegt. Ihn zeichneten Geradlinigkeit, Ideenreichtum und eine unkomplizierte Denkart aus. Von seinen Schülern wurde er respektiert und als Vorbild verehrt. In seinem Hause herrschten fröhliche Geselligkeit und herzliche Gastlichkeit, nicht zuletzt durch seine zweite Frau, die ihn als Pflanzenphysiologin bei seinen Forschungen unterstützte. Ihr widmete er seine "Arbeitserinnerungen".

Staudingers Werk wurde schließlich durch die Verleihung des Nobelpreises gekrönt. Nicht vergessen werden sollte, dass er außerdem eine ungewöhnlich große Zahl an Ehrungen erfuhr, zum Beispiel sechs Ehrendoktortitel und zahlreiche Ehrenmitgliedschaften wissenschaftlicher Akademien und Gesellschaften im In- und Ausland. Top

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