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Psychologie

Männer in der Krise?

Frauen leisten immer noch mehr Familienarbeit als Männer, werden im Job schlechter bezahlt und schaffen es seltener in Führungspositionen. Doch auch Männer haben es nicht leicht, sagt der Arzt und Psychotherapeut Dr. Victor Chu im Gespräch mit der PZ.
Ulrike Abel-Wanek
31.07.2020  17:00 Uhr
Werden Männer und Väter entbehrlich?

Werden Männer und Väter entbehrlich?

Chu: In dem Maße, wie Frauen unabhängiger und selbstständiger werden, werden Männer tatsächlich entbehrlicher, zumindest in materieller Hinsicht. Wir nähern uns wieder mehr dem Zustand matriarchalischer Kulturen, in denen der Vater nur für kurze Zeit in die Familie kommt und dann wieder geht. Das ist ein beklagenswerter Zustand, denn alle drei – Mutter, Vater, Kind – brauchen einander. Die Mutter braucht ihren Mann zur Entlastung und als Stütze, um sich während Schwangerschaft, Geburt und der Stillzeit dem Baby zuwenden zu können – ich nenne diese Stütz- und Schutzfunktion des Vaters die »Gorilla-Funktion«, das Kind braucht den Vater als männliches Vorbild und als Gegengewicht zur Mutter, damit es sich aus der engen Mutter-Kind-Symbiose lösen kann, und der Vater braucht die Bestätigung, dass er ein nützlicher, ja unentbehrlicher Teil der Familie ist.

PZ: Jetzt wollen wir das Rad der Zeit nicht zurückdrehen. Was können Familien unter heutigen Lebensbedingungen für die gesunde Entwicklung ihrer Söhne und Töchter tun?

Chu: Wir brauchen in der Familie und in der Gesellschaft neben selbstbewussten Frauen auch selbstbewusste Männer. Nicht mehr als Macht oder als Dominanz über die Frauen, die oft auch nur ein Zeichen innerer Minderwertigkeitsgefühle sind, sondern als klare männliche Kraft, die anders ist als die weibliche.

Männer und Frauen sind unterschiedlich. Diese Unterschiede sind nicht nur anerzogen, sondern auch durch die biologische und hormonelle Ausstattung programmiert. Kleine Jungen brauchen für ihre männliche Identifizierung die Bestätigung, stark zu sein, während kleine Mädchen sich in ihrer Weiblichkeit bestätigt fühlen, wenn sie hören, dass sie schön sind. Hier geht es nicht um überholte Klischees, sondern um Jahrtausende alte Archetypen, die für die Identifizierung mit dem eigenen Geschlecht prägend sind. Dies bedeutet nicht, dass Mädchen später nicht Fußball spielen und Soldatinnen werden oder Jungs sich nicht schön machen sollen. Wenn kleine Kinder die Phase ihrer Geschlechts-Identifizierung durchlaufen und als Junge und Mädchen von den Eltern bestätigt werden, können sie dieses Bild von sich später loslassen und die andere Seite auskundschaften und ausprobieren. 

Es geht mir darum anzuerkennen, dass ein bestimmter geschlechtsspezifischer Archetypus angelegt ist und durchlebt werden muss, um später in der Beziehung und im Beruf auch die innere Freiheit zu haben, sich in die Richtung zu entwickeln, die einen persönlich anspricht, egal ob sie dem männlichen oder weiblichen Stereotyp entspricht.

PZ: Sie schreiben, dass psychische Störungen und körperliche Erkrankungen ihren Ursprung auch in transgenerationalen Traumata haben. Was heißt das in Bezug auf die Männer?

Chu: Da muss man bis in die Nachkriegszeit zurückgehen, als viele Männer traumatisiert aus dem Krieg zurückkamen, sich dann finanziell zwar um ihre Familien gekümmert haben, emotional aber eigentlich nicht ansprechbar waren. Das wurde an die folgenden Generationen weitergegeben, an die Söhne und Enkel, die sich ebenso emotional zurückgezogen haben wie Vater und Großvater. Aufgrund der eigenen Beziehungsstörung fehlt dann die persönliche, enge Verbindung mit den Kindern. Innerlich abwesende Väter können ihren Söhnen keine guten Vorbilder sein, ebenso wenig wie Väter, die in ihre Arbeit verschwinden.

PZ: Wie können Sie als Therapeut helfen?

Chu: Es sind die klassischen Felder Beruf, Partnerschaft und Familie, in denen Probleme für Männer immer wieder auftreten. Ich gebe Männern erst einmal Bestätigung für das, was sie sind. Beispielsweise gibt kein Mann gerne zu, dass er sich schwach oder unsicher fühlt. Aber allein das auszusprechen, kann sehr befreiend wirken. Ich begleite meine Klienten durch ihre unangenehmen Emotionen wie Angst, Wut, Trauer, Scham und Schuld. Danach fühlen sich viele befreiter.

Ich erzähle auch von meinen Erfahrungen als Sohn, als Mann und als Vater. Dadurch bin ich sowohl für meine männlichen als auch meine weiblichen Klienten ein männliches Gegenüber und Vorbild. Ich ermutige Männer, sich gegenüber ihren Partnerinnen und ihren Kindern so zu zeigen, wie sie sind, auch in ihren Ängsten und Zweifeln. Also kein sogenannter idealer Vater sein, sondern ein menschlicher.

Ich ermutige sie, sich Zeit für die Familie zu nehmen und einfach da zu sein, das heißt: verfügbar zu sein für Gespräche und für alles, wofür sie gebraucht werden. Wenn man innerlich zur Verfügung steht, dann kommen die Partner und Kinder von alleine mit ihren Wünschen und Bedürfnissen. Beratung, Therapie sind hilfreich, aber auch Männergruppen, um männliche Solidarität und gegenseitiges Verständnis zu erfahren. Wichtig ist nur, dass man über Persönliches miteinander spricht und nicht nur über Politik, Autos und Sport.

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