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Antibiotika-Resistenzen

Luft nach oben

Antibiotika verlieren wegen des jahrzehntelangen Übergebrauchs mehr und mehr an Wirksamkeit. Echte Innovationen sind nicht in Sicht. Eine desolate Situation, wie Fritz Becker, Präsident des Bundesapothekerverbandes, und Professor Dr. Martin Hug, Krankenhausapotheker und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Bundesapothekerkammer, auf einer Podiumsdiskussion der Pharma World im Rahmen der Expopharm konstatierten.
AutorKontaktIsabel Weinert
Datum 26.09.2019  17:50 Uhr

Den Mangel an echten Innovationen führt Becker unter anderem auf die Vielzahl generischer Präparate in den vergangenen Jahrzehnten zurück. »Da muss man überlegen, ob das nicht auch das Ergebnis eines massiven Preisdrucks ist. Die Firmen sagen sich, wenn ich kein Re-Invest habe, investiere ich auch nicht«, so der DAV-Vorsitzende. Hug erlebt die Resistenzsituation im täglichen Klinikalltag:  »Es sind wirklich die schweren Infektionskrankheiten, die im Krankenhaus aufschlagen, und wir erleben immer wieder, dass die Antiinfektiva, die wir über lange Zeit im Einsatz gehabt haben, nicht mehr greifen. Wir sehen in den letzten zehn Jahren einen besorgniserregenden Anstieg von Patienten, die eine Infektion haben und bei denen wir auf die wenigen Substanzen zurückgreifen müssen, die wir früher als Reserveantibiotika bezeichnet haben.« Das seien sie jedoch schon lange keine mehr.

Dass es sich für die Pharmaindustrie nicht lohne, neue Antibiotika zu entwickeln, versteht Hug angesichts von Tagestherapiekosten von 500 Euro beim Einsatz von Reserveantibiotika nicht. Bei den Erregern handele es interessanterweise auch um solche, die eben nicht in der Tierhaltung eingesetzt würden. »Wir haben keine klare Erklärung, woher das kommt, lediglich Vermutungen«, so Hug.

Das Thema sei auch bei der Politik angekommen, so Becker. Er erhofft sich von Ursula von der Leyen in ihrer Rolle als zukünftige EU-Ratspräsidentin, dass sie sich des Themas annimmt. Hug und Becker – beide sind sich einig, dass Antibiotikaresistenzen ein Thema für ganz Europa sind. Becker sieht Deutschland hier in einer Vorreiterrolle.

Innerhalb Europas steht Deutschland trotz besorniserregender Situation noch nicht einmal am schlechtesten da: Es gibt eine eindrucksvolle Landkarte der Resistenzen in Europa, so Hug, und da müsse man sagen, Deutschland gehöre noch zu den glücklichen. »Wir sind in Deutschland besorgt, was die Resistenzlage angeht, es könnte besser sein. Aber verglichen mit anderen Ländern stehen wir gar nicht so schlecht da.« Das liege sicher auch daran, dass in Deutschland massiv ausgebildet werde, dass es Schulungsprogramme für Ärzte und Apotheker gebe. Die Nachfrage nach Ausbildungsprogrammen für einen rationalen Antibiotikaeinsatz sei sehr hoch. Damit unterstütze Hug ganz klar die Deutsche Antibiotika-Resistenz-Strategie 2020 (DART 2020), wo genau das explizit gefordert wird, fasste Schubert-Zsilavesz zusammen.

Becker erlebt in der Erkältungssaison täglich, dass Patienten am liebsten ein Antibiotikum hätten, und es werde dann sehr oft auch ein Antibiotikum verordnet. »Da muss man darüber nachdenken, warum das so ist.« Der DAV-Präsident hält in diesem Zusammenhang auch die Aufklärung der Patienten für sehr wichtig: »Man muss ihnen erklären, was Resistenzen sind und wie sie entstehen.«

Antibiotika-Verordnungen sind zwar insgesamt zurückgegangen, doch es gibt große regionale Verordnungsunterschiede. Hier bedürfe es der Ursachenforschung, sind sich Becker und Hug einig: »Gibt es zum Beispiel manche Erreger in manchen Landstrichen Deutschlands häufiger oder verlaufen manche Erkrankungen häufiger schwerer, weil es ein anderes Spektrum ist?« 

Nimmt die Resistenzsituation auch Einfluss auf die Leitlinien, so Schubert-Zsilavezc? Auf diese Frage ging Hug im Verlauf der Diskussion ein: »Der Einsatz von Reserveantibiotika ist auch eine Konsequenz von veränderten Leitlinien. So lag die Standarddosierung von Meropenem früher bei dreimal 500 Milligramm. Inzwischen sind wir bei schweren Infektionen schon bei viermal 2 Gramm angekommen.« Das liege sicher zum einen daran, dass es schwerere Infektionen gebe, zum anderen aber auch daran, dass es sich bewährt habe, die Strategie früh und sehr stark in die Infektionen reinzugehen, zu etablieren. »Das hat vielen Patienten das Leben gerettet. Aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass wir immer mehr Carbapenem-resistente Erreger haben.«

Hug bekommt von Offizinapothekern häufiger Anfragen, ob er ein neues Antibiotikum besorgen könne, dass sich in klinischer Entwicklung befindet. »Das ist natürlich schwierig. Wir haben es in Tat in der Vergangenheit schon häufiger machen müssen, und es hat dann auch geholfen.« Forschung sei unverzichtbar, so Schubert-Zsilavecz, wie auch dieses Beispiel zeige. Das Thema kommt auch bei Becker als Standesvertreter immer wieder in Gesprächen mit Politikern zur Sprache. 

Als Erreger, die aufgrund der Resistenzlage am gefährlichsten sind, nannte Hug die »Top 3«, Acinetobacter Baumanii, Pseudomonas Aeruginosa und die Enterobacteriaceen. »Alle drei sind multiresistent, gram negative Erreger, die wir nur noch sehr schwer in den Griff bekommen.« Und genau hier gibt es eine dramatische Zunahme. »Enterobakterien und Pseudomonaden sind die große Herausforderung der nächsten Jahre und da werden unsere Schwerter langsam stumpf. «

Sieht Becker dennoch einen Hoffnungsschimmer auf politischer Ebene?  Die Bundesregierung sagt, dass der Ansatz, gemeinsam zu agieren, der einzige richtige Weg ist, um Resistenzen zu bekämpfen. Das bedeutet, dass es einen engen Schulterschluss geben muss. Hier sei durchaus noch Luft nach oben, so Becker. Und Hug sieht die transsektorale Zusammenarbeit immer noch als ein ganz kleines Pflänzchen, das sehr viel mehr gegossen werden sollte.  

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