Lieferengpässe und Menschenwürde |
Lukas Brockfeld |
11.11.2024 09:00 Uhr |
Für den Medizinethiker Professor Giovanni Mario sind fehlende Arzneimittel ein Angriff auf die Menschenwürde. / © PZ/Brockfeld
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) versprach erst vergangenen Freitag ein baldiges Ende der Lieferengpässe. Für die Teams in den Apotheken gehören fehlende Medikamente noch immer zum Alltag. Beim Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern in Warnemünde wurde daher am Samstag ausführlich darüber gesprochen, wie mit der Arzneimittelknappheit umzugehen ist.
Der erste Impulsvortrag des Tages stammte von Ann Kathrin Strunz, Referentin für wissenschaftliche Entwicklung bei der ABDA. Strunz erklärte unter anderem, wie das Projekt ARMIN in Sachsen und Thüringen dabei half, die Zahl der Todesfälle durch Wechselwirkungen von Arzneimitteln zu reduzieren. Außerdem sprach die ABDA-Referentin ausführlich über die bevorstehende flächendeckende Einführung der elektronischen Patientenakte (EPA).
Der wohl meistdiskutierte Vortrag des Apothekertags stammte von Giovanni Maio. Der Professor für Medizinethik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sprach ausführlich über die ethischen Probleme, die sich beim Umgang mit Arzneimittelknappheit ergeben. Maio erhob zunächst schwere Vorwürfe in Richtung der Politik. Das deutsche Gesundheitswesen befinde sich in einem Zustand der »kalkulierten Verknappung«, da die Regierung versuche, die Kosten zu senken. Dabei ignoriere sie bewusst Missstände wie den Ärztemangel im ländlichen Raum.
Apotheken seien angesichts des Mangels wertvoller denn je und könnten viele der entstehenden Lücken füllen. »Im Gegensatz zur ärztlichen Versorgung bieten die Apotheken eine niedrigschwellige Versorgung der Bevölkerung mit heilkundlichem Wissen. Da wird ein Wissen präsent gehalten, auf das jede Bürgerin und jeder Bürger jederzeit Zugriff hat. Das ist eine enorme Qualität, die aber nicht wertgeschätzt wird«, erklärte der Ethiker.
Anschließend sprach Maio über die ethischen Konflikte, die mit einem Mangel an medizinischen Leistungen und dem In-Kauf-Nehmen von Verknappung einhergehen. »Apotheker haben als Heilberufler das Versprechen gegeben, dass sie einer universalistischen Hilfspflicht folgen. Apotheken sind für jeden da«, so Maio. Diesem Ideal könne man aber nicht mehr gerecht werden, wenn man beispielsweise bei der Abgabe eines knappen Arzneimittels priorisieren müsse.