Lieferengpässe und Anwendungsfehler bei Diabetes |
Potenzial für Anwendungsfehler habe laut Auer-Kletzmayr auch das neue Insulin icodec (Awiqli®), welches nur noch einmal wöchentlich als subkutane Injektion in den Oberschenkel, Oberarm oder die Bauchdecke appliziert werden muss. »Die einmal wöchentliche Anwendung birgt die Gefahr des Vergessens«, prophezeite die Apothekerin. Sie rät dann zur Drei-Tage-Regel. Will heißen: »Hat der Patient seinen montäglichen Spritztag vergessen, kann er bis Mittwoch nachapplizieren und fährt am kommenden Montag wieder mit der gewohnten Dosis fort. Erinnert er sich jedoch erst am Samstag an seine wöchentliche Insulindosis, spritzt er dann. Der Samstag wird zum neuen Spritztag.«
Auch die zu injizierenden Einheiten zu berechnen, erfordere intensive Schulung. »Schließlich ist es das erste Insulin U 700, also ein Insulin mit 700 Einheiten pro Milliliter. Bislang gibt es nur U 100, U 200 oder U 300. Auch neu: Ein Dosierschritt sind 10 Einheiten.«
Bei Insulin-naiven Diabetikern wird eine wöchentliche Anfangsdosis von 70 Einheiten empfohlen. Anschließend sollte die Dosis einmal wöchentlich individuell angepasst werden. Patienten, die von ein- oder zweimal täglich verabreichtem Basalinsulin auf Insulin icodec umsteigen, wird empfohlen, die erste Insulin-icodec-Gabe am Tag nach der letzten verabreichten Dosis ihres alten Basalinsulins zu injizieren. Die empfohlene Dosis Awiqli entspricht der täglichen Basalinsulin-Gesamtdosis multipliziert mit 7, gerundet auf die nächsten 10 Einheiten.
»Für Patienten mit Typ-1-Diabetes wird bei der Umstellung von einem Basalinsulin auf Awiqli bei der ersten Injektion unbedingt eine Aufsättigungsdosis von 50 Prozent empfohlen, um schneller in den Steady State zu kommen.« Die sich dadurch ergebenden sehr hohen Einheiten können die Patienten erschrecken – »verständlich, wenn man es gewohnt war, 25 Einheiten zu spritzen, und jetzt auf 270 Einheiten gehen soll.«
Auch die Marktrücknahmen vor allem der Insuline von Novo Nordisk bringen derzeit erhöhten Beratungsbedarf mit sich. »Deshalb sollten wir spätestens jetzt notwendige Maßnahmen für eine kontinuierliche Versorgung und Umstellung treffen, um Unsicherheiten vorzubeugen.«
So laufen ab dem zweiten Quartal 2025 die langwirkenden Basalinsuline Insulin detemir (Levemir®) und das NPH-verzögerte Humaninsulin Protaphane® aus. Die kurzwirksamen Humaninsuline (Actrapid®) und Mischinsuline (Actraphane®) sollen ab dem ersten Quartal 2026 eingestellt werden. Betroffen ist auch die Darreichungsform Fiasp PumpCart® mit dem Insulin-Analogon »Fast acting Insulin aspart«, alle anderen Darreichungsformen von Fiasp® bleiben jedoch erhalten.
Für Patienten, die bislang Humaninsuline erhalten, können Insulin-Analoga eine Alternative sein. »Diese bieten Vorteile, wie eine schnellere oder verlängerte Wirkung und eine geringere Gefahr für Unterzuckerungen«, sagte die Apothekerin. Dennoch bedeute eine Umstellung immer einen Zusatzaufwand und müsse eng durch das Behandlungsteam begleitet werden. »Die Dosierungen müssen sorgfältig angepasst werden und Beratung ist wichtig, um die Handhabung neuer Insulinpens oder spezifische Eigenschaften der Analoga zu verstehen.«