| Kerstin A. Gräfe |
| 13.06.2019 12:38 Uhr |
Lutz Engelen, Kammerpräsident der AK Nordrhein, will das Apotheken-Stärkungsgesetz in seiner jetzigen Form nicht mitverantworten. / Foto: PZ/Alois Müller
Nach Ansicht von Engelen hinterlässt das Apotheken-Stärkungsgesetz einen Scherbenhaufen. »Das will ich nicht mitverantworten«, sagte er am Mittwoch zu den Delegierten. In Bezug auf das Gesundheitssystem sieht der Kammerpräsident die Gefahr, dass markwirtschaftliche Interessen und die Priorisierung des europäischen Binnenmarktes maßgeblich das weitere Handeln der Bundesregierung bestimmen werden. »Subsidiarität und Souveränität werden zugunsten von Ökonomisierung und Industrialisierung geopfert«, konstatierte Engelen. Das führe aber auf den falschen Pfad. Engelen zufolge seien jetzt nicht nur die Apotheker, sondern alle Heilberufler gefordert, klare Positionen zu beziehen.
Zudem habe die Regierung in der Vergangenheit des Öfteren politische Entscheidungen ohne jeglichen Weitblick gefällt. Als Beispiele nannte der Kammerpräsident den Atomausstieg, der »quasi über Nacht« entschieden wurde und den Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Flüchtlingskrise »Wir schaffen das.« Es sei eine Entscheidung gefällt worden, ohne die ordnungspolitischen Strukturen dafür zu schaffen.
Was das Apotheken-Stärkungsgesetz betrifft, übte Engelen harsche Kritik. Er forderte unter anderem eine saubere Trennung von Strukturfrage und Dienstleistungssektor. Sein Fazit: »Wenn es bei dem jetzigen Stand bleibt, dann lieber kein Gesetz als dieses Gesetz. Denn am Ende werden wir einen Scherbenhaufen haben und die Politik wird erklären, dass wir das auch so wollten«, so der Kammerpräsident. Jeder, der dieses Gesetz in der jetzigen Form mittrage, mache sich nicht nur verantwortlich, sondern auch schuldig.
Vor diesem Hintergrund verabschiedeten die Delegierten einstimmig folgende Resolution:
Resolution der Kammerversammlung der Apothekerkammer Nordrhein
12. Sitzung der XVI. Kammerversammlung, 12. Juni 2019, Neuss
Die Delegierten der XVI. Kammerversammlung der Apothekerkammer Nordrhein fordern die Bundesregierung auf, sich unverzüglich für den sicheren Erhalt des festen Arzneimittelpreises bei verschreibungspflichtigen Medikamenten einzusetzen.
Der Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums unter der Bezeichnung »Vor Ort Apotheken Stärkungsgesetz« führt aber zum Gegenteil. Wenn überhaupt, würde durch die angedachten sozialrechtlichen Regelungen die Gleichpreisigkeit auf den GKV-Bereich beschränkt sein.
Eine im Raum stehende Inländerdiskriminierung gegenüber den im Fremdbesitz geführten ausländischen Versandapotheken wird dadurch nicht wirksam beseitigt.
Zusätzlich steht eine ausdrückliche Anerkennung der Rechtsauffassung der Kommission der Aufforderung des Bundesgerichtshofes (BGH) an die Bundesregierung entgegen, das Urteil durch Wiedervorlage vor dem EuGH korrigieren zu lassen.
Gleichzeitig würden durch die Akzeptanz dieses Urteils die Weichen für weitere Vertragsverletzungsverfahren gegen die arzneimittel- und sozialrechtlichen Preisvorschriften auf Apotheken-, Großhandel- und Herstellerebene gestellt. Die vom Gesetzgeber suggerierte europarechtliche Sicherheit tritt nicht ein.
Zur Sicherung des festen Arzneimittelpreises ist in letzter Konsequenz das europarechtskonforme Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel umzusetzen.
Der feste Arzneimittelpreis ist sowohl bewährter als auch zukunftsfähiger Garant für die Versorgungssicherheit, die Versorgungsgerechtigkeit und Planbarkeit der Arzneimittelversorgung Deutschlands. Das gilt auch für zukünftige digitale Strukturen, beispielsweise mit dem elektronischen Rezept.
Jede weitere Ökonomisierung und Industrialisierung innerhalb der Arzneimittelversorgung steht dem Solidargedanken in unserem Gesundheitssystem diametral entgegen und ist unverzüglich durch geeignete Struktur- und Gesetzesvorhaben der Bundesregierung einzudämmen.