Lichtscheu und große Augen als Warnzeichen |
Brigitte M. Gensthaler |
03.06.2022 07:00 Uhr |
Große Augen gehören zum beliebten Kindchen-Schema. Eltern sollten jedoch aufpassen, wenn ihr Kind lichtscheu und blendempfindlich ist. / Foto: Adobe Stock/Oscar Brunet
Beim angeborenen (kongenitalen) Glaukom sind Kammerwinkel und Trabekelmaschenwerk des Auges ungenügend ausgereift und der Kammerwasserabfluss gestört. In der Folge steigt der Augeninnendruck (IOD). »Das kongenitale Glaukom betrifft meistens beide Augen; in manchen Fällen ist zunächst das eine Auge betroffen und beim zweiten treten die Symptome und Zeichen einige Monate bis Jahre danach auf«, erklärte Professor Dr. Norbert Pfeiffer, Direktor der Augenklinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz, am 1. Juni bei einer Pressekonferenz der Stiftung Auge.
Wenn beim Erwachsenen der Augendruck ansteigt, bleibt die Größe des Augapfels wegen der Festigkeit der Lederhaut gleich. Das Kinderauge sei jedoch auf Wachstum angelegt und könne mit seiner noch weichen Lederhaut auf den erhöhten IOD mit einer Vergrößerung reagieren. Die »großen Augen« würden zunächst oft als besonders schön empfunden. Mit dem 5. bis 6. Lebensjahr seien die Augen weitgehend ausgewachsen und nicht mehr glaukomanfällig. Auch wenn sie manchmal weiter mitwachsen, verformen sie sich nicht mehr so leicht.
Eltern sollten ihr Kind genau beobachten: Dreht es sich von einer Lichtquelle weg, reibt es häufig die Augen oder kneift sie zusammen oder laufen Tränen? Dies könnten Zeichen der erhöhten Blendempfindlichkeit sein, informierte Pfeiffer. Mitunter erscheint die Hornhaut grau und trübe. »Die Kinder fühlen sich schlecht und leiden an Übelkeit und Erbrechen. Dies führt zu Gedeih- und Wachstumsstörungen«, sagte der Augenarzt. Manchmal werde ein kongenitales Glaukom erst entdeckt, wenn die Kinder in der Schule dem Unterricht an der Tafel nicht folgen können. Oft werde dann zunächst eine Leseschwäche vermutet. Doch wenn schon ein Großteil des Sehvermögens verloren ist, könnten die Kinder das Geschriebene einfach nicht sehen.
Laut der Gutenberg-Gesundheitsstudie (DOI: 10.3238/arztebl.2017.0204) von 2017 wird in Deutschland etwa eines von 10.000 Kindern mit einem Glaukom geboren. »Das ist etwa doppelt so häufig wie bisher angenommen.« Gefährdet seien insbesondere Kinder von Eltern mit Glaukom sowie Kinder mit anderen Augenerkrankungen wie Linsentrübungen oder mit Diabetes.
Pfeiffer warb bei Verdacht auf Glaukom und insbesondere bei »schönen großen Augen« für eine frühzeitige Diagnostik beim Augenarzt und gegebenenfalls Therapie. Augentropfen, zum Beispiel mit Prostaglandin-Analoga oder Betablockern, könnten zur Senkung des erhöhten IOD eingesetzt werden, aber keines der Medikamente sei bei Kindern zugelassen. »Jedoch gibt es gerade für die Prostaglandine eine große Studie, in der sich glücklicherweise keine negativen Nebenwirkungen zeigten. Allerdings sind Augentropfen beim angeborenen Glaukom typischerweise wenig erfolgreich. Fast immer muss die Operation nachfolgen«, erklärte der Augenarzt gegenüber der PZ. Augentropfen würden nur vorübergehend bis zur Operation eingesetzt sowie auch zusätzlich nach einer partiell erfolgreichen Operation.
Das kindliche Glaukom kann oftmals operativ geheilt werden. Bei der Trabekulotomie werden die extrem feinen Kammerwasser-Abflusswege, die nicht richtig ausgebildet sind, gesucht und eröffnet, sodass das Kammerwasser besser abfließen kann. Ein neues Verfahren sei die 360-Grad-Trabekulotomie, bei der die Erfolgsaussichten noch besser seien, sagte Pfeiffer. Die technisch komplizierte Operation werde nur an einigen Augenkliniken angeboten; dort seien die langfristigen Ergebnisse gut. Eltern könnten sich insbesondere an das Deutsche Kinder-Glaukomzentrum Mainz wenden, an dem auch ein deutschlandweites Kinder-Glaukomregister geführt wird (DOI: 10.1186/s13104-022-05921-8).