Let’s Talk About Sex |
Angela Kalisch |
04.11.2024 07:00 Uhr |
Anfassen und Umgestalten ausdrücklich erwünscht: Ein Himmelbett voller bunter Kissen soll als spielerisches Gesprächsangebot dienen. / © Museum für Kommunikation
Aus der Gruppe der Jugendlichen am Eingang ist ein verlegenes Kichern zu hören. Doch die erste Anspannung ist schnell verflogen. Gleich zu Beginn der Ausstellung lädt ein gemütliches Himmelbett mit bunten Kissen zum Anfassen, Auswählen und zum spielerischen Austausch ein. Miteinander reden – das ist das wichtigste Anliegen der Ausstellung »Apropos Sex« im Frankfurter Kommunikationsmuseum. Die Kissen sind bedruckt mit Aussagen über Situationen, die sich gut anfühlen: die Sonne auf der Haut, eine zarte Berührung oder ein verliebter Blick in die Augen.
Offen über Sexualität zu sprechen, fällt vielen Menschen schwer. »Sexualität ist ein intimes und emotionales Thema. Kommunikation und Verständigung, verbal wie nonverbal, sind dabei essenziell. So omnipräsent Sex in den Medien oder der Öffentlichkeit ist, so schwierig erweist sich zugleich die intime Kommunikation. Die Ausstellung will zur Verständigung und Aufklärung beitragen, den eigenen Horizont zu erweitern und die vielen Facetten des Themas zu entdecken«, erläutert Museumsdirektor Helmut Gold.
In fünf Themenbereichen werden die Besucherinnen und Besucher durch interaktive Angebote angeregt, sich zu informieren und zu diskutieren. Sagen und zeigen, was man mag – und vor allem auch, was man nicht mag, Worte finden für Gefühle und Wünsche aber auch für die Beschreibung der erotischen Zonen des Körpers. Ein Eisbrecher zu sein, um die Unsicherheit zu überwinden. Das ist Ziel im ersten Teil der Ausstellung »Lasst uns reden«.
Eisbrecher brauchen aber nicht nur die Teenager, die nach einer Kissenschlacht längst mit großer Neugier und Konzentration in die Informationen der nächsten Stationen vertieft sind. Ein älteres Paar liest sich gegenseitig Definitionen für weibliche und männliche Geschlechtsteile vor, die vom verschämten »Untenrum« über verniedlichende oder wissenschaftlich korrekte Begriffe bis hin zu vulgären Kraftausdrücken reichen. »So was hätten wir uns damals nicht getraut zu sagen«, stellen sie verwundert fest.
Was heißt schon »damals«? Wie kommen wir eigentlich zu unserem Wissen über Sexualität, wie wurden wir aufgeklärt, welche Rolle spielte dabei der Schulunterricht, welche die Medien? Jede Generation wird diese Fragen für sich anders beantworten. Der Bereich »Aufklärung« zeigt in einem modellhaften Klassenraum, wie sich die Bildung und Wissensvermittlung seit den 1940er-Jahren bis heute verändert hat und macht dadurch die Erlebenswirklichkeit der Jüngeren und Älteren füreinander nachvollziehbar.
Viel zur Aufklärung beigetragen hat hierzulande die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die auch zu den Förderern der Ausstellung gehört. Spätestens seit Aids sich in den 1980er-Jahren als neue Infektionskrankheit ausbreitete, kennt fast jeder die Kampagnen der BZgA zu sexuell übertragbaren Krankheiten. Mit den fröhlichen Plakaten, die für die Verwendung von Kondomen werben, ist es seitdem gelungen, ein Thema aus der Tabuzone zu holen.
Der Bereich der »Grenzziehung« widmet sich dem Thema der sexualisierten Gewalt. Es geht darum, wie der Schutz vor sexualisierter Gewalt durch die Gesetzgebung gewährleistet wird und stellt dar, was verboten oder gar strafbar ist. Untrennbar damit verbunden ist auf der anderen Seite die selbstbestimmte Sexualität und der Konsens bei sexuellen Interaktionen. In »Sexualität und ich« geht es somit um das Entdecken der eigenen Lust, aber auch um die Frage nach einer »normalen« Sexualität und die Abweichung von einer Norm, die stark durch Erziehung, Kultur und Religion beeinflusst wird.
Auch in der heutigen vermeintlich aufgeklärten Zeit und toleranten Gesellschaft ist es nicht selbstverständlich, die eigene Sexualität selbstbewusst ausleben zu können. Was über Sexualität gesagt werden kann und darf, wird zudem in nicht unerheblichem Maße von den Medien mitbestimmt, denen dann auch der letzte Themenabschnitt der Ausstellung gewidmet ist. Nicht alles entwickelt sich demnach automatisch in eine offenere, progressive Richtung. Obwohl durch Privatfernsehen und Internet der Eindruck entstehen konnte, dass es überhaupt nichts mehr gibt, was nicht öffentlich zugänglich wäre, ist auch ein gesellschaftlicher Backlash zu beobachten. Dieser reicht bis hin zu einer ernsthaften Bedrohung gegen Menschen, die von einer heteronormativen Sexualität abweichen.
Auf der anderen Seite bieten Social-Media-Kanäle heute eine enorme Möglichkeit, in einen konstruktiven Diskurs zu gehen und Intoleranz und Gewalt anzuprangern. Beispielhaft zeigt die Ausstellung, wie Frauen auf das Problem des »Catcalling«, also der sexuellen Belästigung im öffentlichen Raum, aufmerksam machen und sich dagegen zur Wehr setzen.
Um eines gleich zu Anfang klarzustellen: Die Artikel in der PZ werden von echten Menschen geschrieben und nicht von einem Algorithmus, der aus der globalen Lostrommel gefällige Sätze zusammenwürfelt. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Ihnen ein Text also nicht gefällt oder Sie einen Fehler gefunden haben: ein Mensch trägt die volle Verantwortung.
Wo die KI aber helfen kann, ist die Fleißarbeit. Typografische Überarbeitung gelingt ihr in Sekundenschnelle einwandfrei. Wer allerdings dachte, die KI sei bei der Arbeit nicht wählerisch, der irrt.
Bei diesem Artikel über die Ausstellung »Apropos Sex« verweigerte der sonst so freundliche KI-Assistent nicht nur das Gespräch, sondern wechselte auch gleich die Sprache: »Hmm … it looks like I canʼt chat about this. Letʼs try a different topic«, ließ er mich wissen und schaltete komplett auf stur.
Meine Beteuerung, dass meine Absicht nicht darin bestehe, ihn zu Dirty Talk verführen zu wollen, sondern ich ein seriöses Thema für eine Fachzeitschrift bearbeitete, quittierte die KI mit den Worten »I understand this might seem a bit confusing but discussing certain details might not align with my guidelines«.
What the fuck, hätte ich der Maschine am liebsten zugerufen. Über die richtigen Guidelines entscheiden wir immer noch selbst! »Sorry, it looks like I canʼt chat about this.« Echt jetzt? Aber darum geht es doch hier gerade. Ums Reden, hallo?
»If you have any other questions or need help with something else, feel free to let me know!«
Nein danke! I would prefer not to.
Angela Kalisch, Chefin vom Dienst