Leitlinie empfiehlt erstmals Antiseptika |
Laura Rudolph |
08.01.2024 18:00 Uhr |
Die bakterielle Vaginose (BV) entsteht durch ein gestörtes Scheidenmilieu: Die Zahl der schützenden Milchsäurebakterien nimmt ab, wodurch sich Erreger wie Gardnerella vaginalis, die normalerweise nur in geringer Menge in der Vagina vorkommen, stark vermehren können. / Foto: Adobe Stock/Dr_Microbe
Die bakterielle Vaginose (BV) wird durch ein Ungleichgewicht der physiologischen Bakterienflora in der Vagina verursacht. In einem gesunden Scheidenmilieu dominieren schützende Laktobazillen, die dazu beitragen, den sauren pH-Wert aufrechtzuerhalten und das Wachstum schädlicher Mikroorganismen einzudämmen.
Bei einer BV nimmt die Zahl dieser Laktobazillen jedoch ab, wodurch sich andere Bakterien übermäßig vermehren können – darunter insbesondere das Bakterium Gardnerella vaginalis. Es gilt als Hauptverursacher der BV, die typischerweise mit gräulichem Ausfluss sowie einen fischigen Geruch einhergeht. Mit einer Prävalenz von etwa 23 bis 29 Prozent bei sexuell aktiven Frauen gilt die BV als häufigste Erkrankung der Vagina.
Eine BV wird klassischerweise mit den antibiotischen Wirkstoffen Clindamycin oder Metronidazol behandelt. Die aktualisierte Fassung der Leitlinie zur bakteriellen Vaginose, die im Juni des vergangenen Jahres veröffentlicht wurde, beinhaltet nun erstmals auch Empfehlungen zur Therapie mit Antiseptika als Alternative zur herkömmlichen Antibiotikabehandlung. Die Neuerung zielt darauf ab, unnötige Antibiotikatherapien zu verhindern. Die überarbeitete Version, an der unter anderem die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) beteiligt war, wurde zudem auf S2k-Niveau angehoben und neu strukturiert.
»Antiseptika als Therapiealternative einzusetzen, erscheint – insbesondere in Anbetracht des im BV-Biofilm oft unwirksamen Metronidazol sowie zunehmender Antibiotikaresistenzen – sinnvoll«, heißt es in der Leitlinie. Allerdings werde der bei einer BV ohnehin geringe Anteil an »gesunden« Laktobazillen durch Antispektika weiter reduziert, räumen die Autoren ein.
Laut Leitlinie zeigten Präparate mit Dequaliniumchlorid, Octenidin oder Povidon-Jod in randomisiert-kontrollierten Studien vielversprechende Behandlungsergebnisse. Als antiseptische Therapieoptionen nennt die Leitlinie vaginales Dequaliniumchlorid in einer Dosis von 10 mg pro Tag über einen Zeitraum von sechs Tagen. Für die Anwendung von Octenidin-haltigen Vaginalsprays empfiehlt die Leitlinie zwei Sprühstöße am ersten Tag, gefolgt von einem Sprühstoß täglich über insgesamt sieben Tage.
Für vaginales Povidon-Jod empfiehlt die Leitlinie eine Applikatorfüllung pro Tag über einen Zeitraum von sechs bis sieben Tagen. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass Schwangere Povidon-Jod nicht anwenden dürfen.
Für die »klassische« Antibiotikatherapie empfiehlt die Leitlinie die Verwendung von oralem oder topischem Clindamycin oder Metronidazol. Letzteres wird bereits seit fünf Jahrzehnten in der Behandlung der BV eingesetzt. Für die orale Einnahme beträgt die Dosis von Metronidazol zweimal täglich 500 mg über sieben Tage. Als vaginale Arzneiformen können entweder ein 0,75-prozentiges Gel (5 g Applikator, einmal täglich) über einen Zeitraum von fünf bis sieben Tagen eingesetzt werden, alternativ 100-mg-Ovula einmal täglich für sechs Tage oder 1-g-Ovula einmal täglich für zwei Tage.
Die Therapie mit Metronidazol scheitert häufig aufgrund von Resistenzen der Erreger. Weniger gefährdet sei dagegen die Behandlung mit Clindamycin. Die empfohlene Dosierung für die orale Einnahme beträgt dabei zweimal täglich 300 mg über sieben Tage. Alternativ können 2-prozentige Vaginalcremes einmal täglich für sieben Tage oder 100-mg-Ovula einmal täglich für drei Tage verwendet werden.
Als seltene Therapiealternativen erwähnt die Leitlinie außerdem die antibiotischen Wirkstoffe Secnidazol und Tinidazol. Zudem weist sie darauf hin, dass vaginale Arzneiformen je nach Zusammensetzung für bis zu fünf Tage nach Therapieende die Schutzwirkung von Latex-Kondomen und Diaphragmen beeinträchtigen können.
Als ergänzende Therapieverfahren, zusätzlich zu einer antibiotischen oder antiseptischen Behandlung, können Milchsäure und Probiotika verwendet werden. Diese scheinen einen positiven Einfluss auf die Therapie und die Vorbeugung von Rückfällen zu haben. Die Leitlinie empfiehlt zudem nach Abschluss der Therapie den Einsatz von Probiotika, um die Vaginalflora wiederaufzubauen.
Nichtsdestotrotz kommt es nach einer Erstlinientherapie häufig zu Rezidiven. Studien hätten Rückfallraten im Bereich von 30 bis 80 Prozent innerhalb der ersten drei bis zwölf Monate nach Therapieende ermittelt, heißt es in der Leitlinie. Die Autoren vermuten, dass Rezidive unter anderem auf bakterielle Biofilme und Resistenzen zurückzuführen sein könnten.
Bei chronisch wiederkehrender BV empfiehlt die Leitlinie den Einsatz von lokalen Antiseptika oder eine langfristige Erhaltungstherapie mit lokal angewandtem Metronidazol. Anschließend sollten vaginale Probiotika angewandt werden, um das Risiko für erneute Rückfälle zu verringern. Frauen, bei denen eine Erhaltungstherapie nicht erfolgreich ist, könnten von einem gegen Gardnerella wirkenden, rekombinant hergestellten Endolysin profitieren.
Die Frage, ob Sexualpartner oder -partnerinnen mitbehandelt werden müssen, sei aufgrund kontroverser Studienergebnisse nicht eindeutig geklärt. Eine klare Handlungsempfehlung könne aufgrund der begrenzten Evidenz nicht ausgesprochen werden.
Auch Schwangeren, die an einer symptomatischen BV leiden, rät die Leitlinie zur Behandlung. Diese solle primär mit Clindamycin erfolgen. Alternativ könnten aufgrund vergleichbarer Wirksamkeit Dequaliniumchlorid oder Octenidin in Betracht gezogen werden. Es sei zu beachten, dass eine BV-Therapie bei Schwangeren oft als Off-Label-Anwendung erfolgt, worüber aufgeklärt werden sollte.
Unabhängig davon, ob die Patientin schwanger ist oder nicht, raten die Leitlinienautoren klar davon ab, eine BV in Eigenregie zu behandeln. Die Therapie sollte nur nach einer vom Arzt bestätigten Diagnose erfolgen. Eine Selbstmedikation sei aufgrund eines mangelnden Befunds oft nicht angemessen und könne die richtige Diagnose hinauszögern und dadurch die Beschwerden verlängern. Zudem seien BV-Therapeutika wie Clindamycin, Metronidazol und Dequaliniumchlorid ohnehin verschreibungspflichtig.