Die Statue des schon zu seiner Zeit populären Physikers und Mediziners Hermann von Helmholtz (1821 bis 1894) vor der Humboldt-Universität in Berlin. / Foto: Adobe Stock/spuno
Seine bekannteste Erfindung ist der Augenspiegel, der in modernisierter Form auch heute noch verwendet wird. Sein Konzept ist verblüffend einfach: Hält der Arzt den Augenspiegel vor das Auge des Patienten, sieht er durch die Pupille hindurch den Augenhintergrund. Der schräg gestellte Spiegel lenkt das Licht auf den Untersuchungsbereich, ohne dass der Kopf des Beobachters das Licht verdeckt. Den Ophthalmologen eröffnete Helmholtz mit dem Augenspiegel die Möglichkeit, Netz- und Aderhaut sowie den Sehnerv zu begutachten.
Die Erfindung des Augenspiegels verhalf Helmholtz zu enormem Ansehen, mehr als seine Erkenntnisse in der Grundlagenforschung. Der Nutzen des neuen Gerätes für sehr viele Menschen ist allerdings auch unübersehbar. In kurzer Zeit verbreitete sich der Augenspiegel weltweit. Helmholtz’ Beitrag zur Augenheilkunde war damit aber noch nicht erschöpft: 1851 erfand er das Ophthalmometer, um den Krümmungsradius der Augenhornhaut zu bestimmen. Diese technischen Entwicklungen trugen wesentlich dazu bei, die Augenheilkunde als eigene medizinische Disziplin zu begründen.
Das Auge faszinierte den vielseitigen Wissenschaftler besonders. Helmholtz (1821 bis 1894), der Physik und Medizin studiert hatte, ging der Frage nach, wie Menschen Farben wahrnehmen. Er entwickelte die Farbentheorie des britischen Augenarztes Thomas Young weiter, der rund ein halbes Jahrhundert zuvor schon vermutet hatte, dass die Zahl der Fotorezeptoren der Netzhaut auf wenige Farben begrenzt ist.
Helmholtz beobachtete, dass man aus farbigem Licht dreier Primärfarben jede beliebige andere Farbe mischen kann. Nach diesem Muster entstehen auch die Bilder bei Farbfernsehern und Monitoren. Der Forscher postulierte drei Rezeptortypen, die unterschiedlich sensibel auf Licht verschiedener Wellenlängen reagieren und so als buntes Bild wahrgenommen werden.
Helmholtz hatte recht: Ende des 19. Jahrhunderts gelang der Nachweis dreier unterschiedlicher Farbsinnzellen in der Netzhaut: Rot-, Blau- und Grünzapfen. Genauer betrachtet, reagieren die sehr empfindlichen Zellen am stärksten auf gelbgrünes, smaragdgrünes und blauviolettes Licht. Werden alle drei Sinneszellen etwa gleich stark angeregt, entsteht ein graues oder weißes Bild. Schwarz sieht man, wenn keiner der Zapfen stimuliert wird.
Was das Auge wahrnimmt, ergibt aber noch lange kein Bild. Jetzt kommt es noch darauf an, wie das Gehirn die Signale verarbeitet. Helmholtz erkannte im 19. Jahrhundert wahrscheinlich als Erster, dass das Gehirn nicht nur die Informationen der einzelnen Sinnessysteme verarbeitet, sondern diese Eindrücke auch zusammensetzt und daraus Schlüsse zieht.
Und er ging noch weiter. Um 1850 publizierte der Wissenschaftler auch seine Ergebnisse beim Messen der Nervenleitungsgeschwindigkeit. Damals hatte man angenommen, dass die Nervenimpulse so schnell weitertransportiert werden, wie das Licht fliegt und man sie deshalb nicht messen kann. Mit seinen Experimenten widerlegte Helmholtz diese Annahme: Nerven leiten Signale viel langsamer, als die Geschwindigkeit des Lichts beträgt, sodass man das Tempo der Reizweiterleitung durchaus messen kann. Erst dadurch wurden Experimente zur Reaktionszeit möglich. Auch Neurologen und Psychologen sehen Helmholtz als einen der Modernisierer ihrer Disziplin an.
Da Physik damals als brotlose Kunst galt, hatte Helmholtz aufgrund des dringenden Rates seiner Eltern auch Medizin studiert. Das Wissen aus beiden Welten floss in seine Erfindungen ein. In der Medizin galt sein besonderes Interesse neben der Augenheilkunde vor allem der Physiologie. 1851 erhielt er als Dreißigjähriger eine Professur für Physiologie in Königsberg. Später folgten Berufungen nach Bonn und Heidelberg, jeweils im Fach Medizin. Zur Physik wechselte er 1871, als er den Ruf für den Physik-Lehrstuhl an der Friedrich-Wilhelms-Universität, der heutigen Humboldt-Universität, in Berlin annahm. Inzwischen war er ein so bekannter und renommierter Forscher, dass er in den Adelsstand versetzt wurde und von da an das »von« vor seinem Namen tragen durfte. In Analogie zum Reichskanzler Bismarck nannte man ihn den »Reichskanzler der Physik«.
In Berlin ging Helmholtz über die Grenzen einzelner Wissenschaftsdisziplinen hinaus und suchte nach allgemeinen, übergeordneten Gesetzen und stringenten Konzepten. Er zeigte, dass Energie nicht erzeugt und auch nicht vernichtet werden kann, sondern nur in andere Energieformen umgewandelt wird. Hermann von Helmholtz fasste das Prinzip der Energieerhaltung in eine klar definierte und allgemeingültige Form. Als erster Hauptsatz der Thermodynamik hat sich das Prinzip der Energieerhaltung für sehr viele Bereiche als grundlegend erwiesen, nicht nur in Mechanik und Thermodynamik. Immer auf der Suche nach Erkenntnis, übertrug Helmholtz seine physikalischen Konzepte auf andere Naturerscheinungen und gilt wegen seiner Studien über Wirbelstürme, Gewitter, Luft- und Wasserwellen sowie Gletscher als einer der Gründerväter der modernen Meteorologie.
Auch grundlegenden Fragen wie »Was ist das Leben und woher kommt es?«, ging er nach und hat konsequent physikalische Methoden angewandt, um biologische und physiologische Sachverhalte zu verstehen. Doch alle ihn beschäftigenden wissenschaftlichen Fragestellungen befriedigend zu beantworten, gelang ihm ebenso wenig wie anderen Wissenschaftlern. War eine Frage geklärt, stellte sich auch ihm mindestens eine neue.