Lauterbach will Kassenabschlag auf 2 Euro erhöhen |
Entlastung der Kassenfinanzen: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will unter anderem bei den Ausgaben für Arzneimittel einsparen. / Foto: IMAGO/Jürgen Heinrich
Nach zwei Jahren Coronavirus-Pandemie will die Bundesregierung im GKV-Bereich sparen. Die Ampel-Koalition rechnet durch die Pandemie damit, dass die Zuwächse bei den Beitragseinnahmen im Gesundheitsfonds weniger stark ansteigen als noch vor der Pandemie. Dadurch sei seit 2020 eine GKV-Finanzierungslücke entstanden, heißt es in einem ersten Entwurf des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes, den das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) am heutigen Dienstag verschickt hat und der der PZ vorliegt. Hinzu komme, dass die Ausgabenzuwächse teils deutlich über 4 Prozent pro Jahr liegen. Die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben werde jedes Jahr zu einem Anstieg des Zusatzbeitragssatzes von 0,2 bis 0,3 Prozentpunkten führen, so die Prognose. Klar ist: Nach aktueller Gesetzeslage entfällt im Jahr 2023 der zur GKV-Stabilisierung in der Corona-Pandemie beschlossene ergänzende Bundeszuschuss für 2022 in Höhe von 14 Milliarden Euro. Ohne zusätzliche Maßnahmen würde der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz in der GKV im Jahr 2023 von derzeit 1,3 Prozent um rund einen Prozentpunkt steigen, rechnet das BMG vor.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, will das Ministerium Sparmaßnahmen einführen, die »auf mehreren Schultern« verteilt werden sollen. Zunächst soll der Bundeszuschuss zur GKV ab dem Jahr 2023 um 5 Milliarden Euro auf jährlich 19,5 Milliarden Euro erhöht werden. Darüber hinaus werden nicht notwendige Finanzreserven der Krankenkassen weiterhin abgeschmolzen und überschüssige Mittel des Gesundheitsfonds dauerhaft als Zuweisungen an die Krankenkassen ausgeschüttet, heißt es im Entwurf.
Gleich nach diesen beiden Maßnahmen nennt das BMG aber massive Einsparungen im Arzneimittelbereich. Wörtlich heißt es: »Zur Stabilisierung der Arzneimittelausgaben der GKV wird das Preismoratorium über den 31. Dezember 2022 hinaus um weitere vier Jahre verlängert, der Apothekenabschlag für die Dauer von zwei Jahren auf 2 Euro erhöht und die Geltung des Erstattungsbetrags (…) ab dem siebten Monat nach dem erstmaligen Inverkehrbringen eines Arzneimittels und damit im Sachzusammenhang stehender Konstellationen geregelt.« Laut Entwurf soll die zweijährige Erhöhung des Kassenabschlags den Kassen 170 Millionen Euro einbringen.
Damit müssten die Apotheken erstmals seit 2015 wieder eine Änderung des Kassenabschlags hinnehmen. Damals hatte der Gesetzgeber den Abschlag auf 1,77 Euro fixiert, weil sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband in vorangegangenen Verhandlungen nicht auf eine Abschlagshöhe für das Jahr 2016 einigen konnten. Dass die Politik den Kassenabschlag als Sparinstrument nutzt, ist den Apothekern allerdings nicht neu: Schon mit dem sogenannten Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) hatte der Bundestag 2011 beschlossen, den Abschlag auf damals 2,05 Euro zu erhöhen.
In dem Entwurf kündigt das Ministerium zudem eine Regelung an, die die Apotheken ebenfalls betreffen würde. »Die Bundesregierung plant, in einem gesonderten Gesetzgebungsverfahren den Umsatzsteuersatz für die Lieferung von Arzneimitteln ab dem Jahr 2023 auf sieben Prozent zu senken«, heißt es in dem Entwurf. Dass die Ampel-Koalition die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel nun doch senken will, überrascht. Schließlich war dieser Passus aus dem gemeinsamen Koalitionsvertrag geflogen – in den ersten Entwürfen war die Absenkung vorgesehen.
Weitaus höhere Einsparungen sollen sich laut BMG durch die weiteren Sparmaßnahmen ergeben. Konkret soll der allgemeine Herstellerabschlag zeitlich befristet und in einer gestaffelten Höhe neu festgelegt werden. Alleine diese Maßnahme soll im Jahr 2023 Einsparungen in Höhe von mindestens 1,8 Milliarden Euro einbringen, im Jahr 2024 mindestens 1,35 Milliarden Euro, im Jahr 2025 weitere 900 Millionen Euro und im Jahr 2026 mindestens 450 Millionen Euro. Mit der früheren Geltung des Erstattungspreises für neue Arzneimittel kommt das BMG einem langjährigen Wunsch der Kassenlobby nach. Die Kassenverbände hatten schon länger auf die steigenden Arzneimittelausgaben im Bereich der Originalpräparate hingewiesen und sich gewünscht, dass der zwischen Kassen und Herstellern vereinbarte Erstattungsbetrag nicht erst ab dem zweiten Jahr nach Markteinführung gilt, sondern früher. Mit dem nun vorliegenden Entwurf soll der Erstattungsbetrag bereits ab dem siebten Monat gelten, dadurch erhofft sich das BMG Einsparungen in Höhe von 150 Millionen Euro pro Jahr.
Zur Erinnerung: Seit dem AMNOG dürfen Hersteller die Preise ihrer neuen Arzneimittel nur noch im ersten Jahr frei festlegen. Parallel dazu verhandeln Hersteller und Krankenkassen einen Erstattungsbetrag, der auf Basis des Zusatznutzens des Medikamentes gebildet wird. Das BMG will nun erstmals regeln, dass in einer solchen Erstattungsbetragsvereinbarung auch mengenbezogene Aspekte, wie eine mengenbezogene Staffelung oder ein jährliches Gesamtvolumen, vereinbart werden müssen und Arzneimittelverwürfe auf Grund unwirtschaftlicher Packungsgrößen preismildernd zu berücksichtigen sind. Die Berücksichtigung von unwirtschaftlichen Packungsgrößen in den Erstattungsbetragsverhandlungen führe mittelfristig zu Einsparungen von rund 50 Millionen Euro im Jahr, heißt es im Entwurf.
Weitere Millionenbeträge will das Ministerium im Bereich der Orphan Drugs einsparen. Konkret soll Umsatzschwelle für Arzneimittel zur Behandlung eines seltenen Leidens für die Nutzenbewertung auf 20 Millionen Euro reduziert werden. Zudem wird für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen ein Kombinationsabschlag in Höhe von 15 Prozent auf den Erstattungsbetrag eingeführt.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.