Lauterbach erwartet Sommerwelle |
Masken gehören auch im Sommer 2022 weiterhin ins Reisegepäck und in jede Handtasche. / Foto: Getty Images/the_burtons 2020
In Deutschland werden wieder deutlich mehr Corona-Infektionen registriert. Das Robert-Koch-Institut (RKI) gab die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz am Dienstagmorgen mit 447,3 an. Das ist ein markanter Sprung im Vergleich zu 331,8 am Vortag. (Vorwoche: 199,9; Vormonat: 477,0). Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kommentierte den Anstieg auf Twitter so: «Eine Sommerwelle war zu erwarten.»
Die Inzidenz hatte im März einen Wert von mehr als 1700 erreicht und war dann bis Ende Mai unter 200 gesunken. Nun ist sie wieder mehr als doppelt so hoch. Eine dramatische Belastung des Gesundheitssystems sehen Experten aber bislang nicht. Ein Grund für den Anstieg dürfte die Verbreitung des Omikron-Subtyps BA.5 sein, der zu mehr Ansteckungen führt. Auch das Verhalten der Bevölkerung mit mehr Kontakten und weniger Schutzmaßnahmen dürfte eine Rolle spielen.
Freiwilliges Tragen von Masken im Innenraum und eine vierte Impfung seien jetzt das beste Gegenmittel, schrieb Lauterbach bei Twitter. Allerdings empfiehlt die Ständige Impfkommission Stiko den zweiten Booster bislang nur für Teile der Bevölkerung, unter anderem für Menschen ab 70 Jahren, Personal in medizinischen Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen sowie Menschen mit Immunschwäche.
Die Inzidenz liefert kein vollständiges Bild der Infektionslage. So gehen Experten seit einiger Zeit von einer hohen Zahl nicht vom RKI erfasster Fälle aus – vor allem, weil längst nicht alle Infizierten einen PCR-Test machen lassen. Und nur positive PCR-Tests zählen in der Statistik. Zudem können Nachmeldungen oder Übermittlungsprobleme zur Verzerrung einzelner Tageswerte führen.
Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI zuletzt 105.840 Corona-Neuinfektionen und 107 Todesfälle innerhalb eines Tages. Ein Vergleich mit den Werten der Vorwoche ist wegen sehr eingeschränkter Meldungen am Pfingstmontag (6. Juni) nicht sinnvoll. Generell schwankt die Zahl der registrierten Neuinfektionen und Todesfälle deutlich von Wochentag zu Wochentag, da insbesondere am Wochenende immer mehr Bundesländer nicht ans RKI übermitteln und ihre Fälle im Wochenverlauf nachmelden.
Bei den Omikron-Sublinien BA.4 und BA.5, die derzeit zu steigenden Corona-Fallzahlen beitragen, geht ein Laborverband aktuell bereits von hohen Anteilen in Deutschland aus. Für diese Woche sei anhand der bisherigen Ausbreitungsgeschwindigkeit anzunehmen, dass BA.4 vermutlich etwa 15 bis 16 Prozent des Infektionsgeschehens ausmache und BA.5 40 bis 50 Prozent, sagte der Vorsitzende des Verbands Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM), Michael Müller, am Dienstag. Er rechne mit einer weiteren Ausbreitung bis etwa Mitte Juli und im Zuge dessen mit hoch bleibenden Infektionszahlen. In den nächsten Wochen könnte sich BA.4 noch gegen BA.5 durchsetzen.
Die vom RKI veröffentlichten Daten zu Virusvarianten beziehen sich stets auf einen Zeitraum vor zwei Wochen. Müller stellte eine Hochrechnung zu jüngsten RKI-Angaben an. «In jedem Fall wird dieser Sommer anders sein als die Sommer zuvor. Er kann auch anders gelebt werden», sagte Müller mit Blick auf die hohe Rate an Menschen in der Bevölkerung, die durch Impfung und/oder Infektion Kontakt mit SARS-CoV-2 hatten.
Nach Daten des Verbands ist der Trend bei den PCR-Tests wieder ansteigend: Vergangene Woche seien rund 582.000 solcher Laboruntersuchungen durchgeführt worden, nach etwa 552.000 in der Woche zuvor, hieß es unter Berufung auf Daten von 183 Laboren. Die Auslastung der Labore liege mit 21 Prozent im Bundes-Durchschnitt «auf sehr niedrigem Niveau».
Mit Blick auf Herbst und Winter und die Erwartung dann wieder verstärkter Corona-Verbreitung forderte der Verband erneut Planungssicherheit, etwa zu den benötigten Testkapazitäten. Die Nationale Teststrategie laufe zum Monatsende aus. «Die fachärztlichen Labore benötigen endlich Klarheit, in welchen Bereichen der Testung asymptomatischer Personen für die Landes- und Bundespolitik der künftige Schwerpunkt liegen soll», mahnte Müller.
Aus ALM-Sicht habe die medizinische Versorgung Erkrankter Vorrang, dies gehöre ausschließlich in Ärzte-Hand. Anlasslose Bürgertests in Testzentren würden zum weiteren Management der Pandemie nicht mehr gebraucht, hieß es in einer ALM-Mitteilung. Der Verband schlägt unter anderem vor, Selbsttests leicht und kostengünstig zugänglich zu machen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.