Laumann und Preis diskutieren Strukturreform und OTC-Budget |
Alexander Müller |
05.06.2025 09:06 Uhr |
Natürlich hofft auch Laumann auf den wirtschaftlichen Aufschwung, denn gegen den Wegfall sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze könne kein Gesundheitsminister ansparen. Die Probleme ließen sich nicht über Beitragserhöhungen oder Steuermittel lösen. »Das System muss sich verändern. Punkt«, so Laumann deutlich.
Preis kennt die Überlastung im ambulanten Sektor. 5.000 Hausarztpraxen seien nicht besetzt, mit bis zu 2.000 zusätzlichen Arztkontakten pro Praxis sei zu rechnen. »Wir müssen darüber nachdenken und mit den Ärzten diskutieren, ob wir nicht noch einen niedrigschwelligeren Zugang schaffen als nur die Arztpraxen.«
Heute säßen Eltern mit ihren Kindern drei Stunden in einer Kinderarztpraxis, nur um einen Fiebersaft verordnet zu bekommen. »Das könnte man in die Apotheke auslagern«, so Preis. Sein Vorschlag: »Die Familien bekommen ein Budget, mit dem solche Medikamente direkt verrechnet werden können.« Die erste Stufe der Therapie sei ohnehin oft ein selbstgekauftes Arzneimittel – auch in den ärztlichen Leitlinien.
Dem Primärarztmodell, wie von der Koalition angestrebt, müsse ein Modell »Pharmacy first« vorgeschaltet werden, so Preis. Er setzt auf Eigenverantwortung und will für Versicherte Anreize bieten, finanziell in Vorleistung zu gehen. »Wer vorher in der Apotheke war, bekommt die Praxisgebühr erlassen«, so eine Überlegung. Über die Wiedereinführung der Gebühr wird im Sinne der Patientensteuerung aktuell wieder diskutiert. Laumann warnte davor, den 10-Euro-Schein in der Praxis wieder einzuführen: »Damit landen wir nur in der Heute-Show.« Er schließt die Gebühr nicht aus, aber ohne Strukturreform werde es nicht gehen, wiederholte er.
Was eine stärkere Rolle der Apotheken betrifft, zeigte sich der NRW-Gesundheitsminister offen: »Es ist ja kein Geheimnis, dass Karl-Josef Laumann die Vor-Ort-Apotheke schätzt, weil ich sie für den niedrigschwelligsten Zutritt zum deutschen Gesundheitswesen halte.« Warum sollten nicht Praxen entlastet werden, etwa bei Impfungen? Die direkte Überweisung an den Facharzt aus der Apotheke sieht er aber nicht – Preis übrigens auch nicht. Laumann will sicherstellen, dass alle Zugang zum Gesundheitssystem haben – daran müsse sich die Politik messen lassen. Und Patientensteuerung sei mehr als ein Primärarztsystem.
ABDA-Präsident Preis ist überzeugt, dass die Apotheken auch dabei unterstützen können, den Menschen mehr Gesundheitskompetenz zu vermitteln, damit sich diese mehr mit Prophylaxe und gesundem Verhalten befassen und letztlich auch schneller therapiert werden. Dazu brauche das System die »vorgelagerte Stufe« Apotheke.
Zum Schluss wurde noch kurz über die Digitalisierung des Gesundheitswesens gesprochen. Als Laumann von dem noch immer bestehenden Problem der Stapelsignaturen bei E-Rezepten erfuhr, schüttelte er ungläubig den Kopf. Grundsätzlich ist er aber überzeugt, dass niemand mehr das E-Rezept missen wolle – trotz der von Preis angesprochenen regelmäßigen Ausfälle bei einzelnen Kassen. Dass es jetzt zum Start der elektronischen Patientenakte (ePA) etwa ruckele, sei auch völlig normal. Preis sieht als Schwachstelle, dass die Patienten selbst Einträge löschen oder unzugänglich machen können. »Das hat seine Berechtigung, aber wir werden sehr viel Arbeit damit haben«, so Preis.