Laumann und Preis diskutieren Strukturreform und OTC-Budget |
Alexander Müller |
05.06.2025 09:06 Uhr |
NRW-Gesundheitsminister Karl Josef Laumann (Mitte) und ABDA-Präsident Thomas Preis diskutierten beim Netzwerktreffen Ärzte-In, moderiert von Antje Höning, Leiterin Wirtschaftsredaktion Rheinische Post. / © PZ
Zum »Ärzte-IN« luden die Rheinische Post und die Deutsche Apotheker und Ärztebank (Apobank) ein. Erstmals erhielt in diesem Jahr mit ABDA-Präsident Preis ein Apothekervertreter die große Bühne und die Chance, mit Gesundheitsminister Laumann zu debattieren.
Letzterer zeigte sich zufrieden mit den Ergebnissen des Koalitionsvertrags, bei dem er für die Union das Kapitel Gesundheit federführend verhandelt hat. Allerdings ließen sich damit nur politische Schwerpunkte setzen, ein Koalitionsvertrag sei noch kein Gesetz, wie Laumann mehrfach betonte.
ABDA-Präsident Preis freute sich trotzdem, dass den Apotheken im Koalitionsvertrag erstmals ein eigenes Kapitel gewidmet sei. Nach den »schlimmsten Zeiten für die öffentlichen Apotheken« unter Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach könnten viele Apotheken nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden. »Im Koalitionsvertrag ist das erkannt worden, die Honorare sollen erhöht werden und Apotheken sollen regelmäßig nachverhandeln können wie andere Heilberufe. Denn eine einmalige Erhöhung hilft uns nicht«, so der ABDA-Präsident.
Zudem solle der Heilberuf weiter ausgebaut und die Kompetenzen der Apothekerinnen und Apotheker besser genutzt werden. Preis ist zuversichtlich, dass dies mit der neuen Spitze im BMG gelingen kann: mit dem unverstellten Blick der neuen Ministerin Warken und den beiden Staatssekretären Tino Sorge und Georg Kippels als kompetente Berater mit viel Erfahrung im Gesundheitswesen. »Ich glaube, da wird eine sehr gute Politik gemacht und mit Blick auf die Apotheken muss man nur den Koalitionsvertrag abarbeiten«, so Preis.
Der NRW-Gesundheitsminister ist überzeugt, dass es ohne große Strukturreformen nicht gehen wird. Es gebe in Deutschland unterversorgte Gebiete mit schlechtem Zugang zum Gesundheitssystem, aber auch überversorgte – was einfach nur teuer sei. »Wir brauchen im ambulanten Bereich eine gewisse Patientensteuerung«, ist Laumann überzeugt. Das Primärarztsystem sei eine gute Idee, allerdings müsse man die Details sehr genau mit den Beteiligten besprechen. Und: »Man wird auch an einer Honorarreform nicht vorbeikommen und dann wird es ganz schwierig.«
Laumann glaubt nicht, dass zu wenig Geld im System ist – angesichts von heute bereits 42 Prozent Sozialversicherungsabgaben und 500 Milliarden Euro Gesamtausgaben. Für Ministerin Warken sei es schlicht unmöglich, alle Geldforderungen zu erfüllen. Später am Abend sagte Laumann gegenüber der PZ, dass sich die Apotheken auf die versprochene Honorarerhöhung aber verlassen könnten. So stehe es schließlich im Koalitionsvertrag.
Natürlich hofft auch Laumann auf den wirtschaftlichen Aufschwung, denn gegen den Wegfall sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze könne kein Gesundheitsminister ansparen. Die Probleme ließen sich nicht über Beitragserhöhungen oder Steuermittel lösen. »Das System muss sich verändern. Punkt«, so Laumann deutlich.
Preis kennt die Überlastung im ambulanten Sektor. 5.000 Hausarztpraxen seien nicht besetzt, mit bis zu 2.000 zusätzlichen Arztkontakten pro Praxis sei zu rechnen. »Wir müssen darüber nachdenken und mit den Ärzten diskutieren, ob wir nicht noch einen niedrigschwelligeren Zugang schaffen als nur die Arztpraxen.«
Heute säßen Eltern mit ihren Kindern drei Stunden in einer Kinderarztpraxis, nur um einen Fiebersaft verordnet zu bekommen. »Das könnte man in die Apotheke auslagern«, so Preis. Sein Vorschlag: »Die Familien bekommen ein Budget, mit dem solche Medikamente direkt verrechnet werden können.« Die erste Stufe der Therapie sei ohnehin oft ein selbstgekauftes Arzneimittel – auch in den ärztlichen Leitlinien.
Dem Primärarztmodell, wie von der Koalition angestrebt, müsse ein Modell »Pharmacy first« vorgeschaltet werden, so Preis. Er setzt auf Eigenverantwortung und will für Versicherte Anreize bieten, finanziell in Vorleistung zu gehen. »Wer vorher in der Apotheke war, bekommt die Praxisgebühr erlassen«, so eine Überlegung. Über die Wiedereinführung der Gebühr wird im Sinne der Patientensteuerung aktuell wieder diskutiert. Laumann warnte davor, den 10-Euro-Schein in der Praxis wieder einzuführen: »Damit landen wir nur in der Heute-Show.« Er schließt die Gebühr nicht aus, aber ohne Strukturreform werde es nicht gehen, wiederholte er.
Was eine stärkere Rolle der Apotheken betrifft, zeigte sich der NRW-Gesundheitsminister offen: »Es ist ja kein Geheimnis, dass Karl-Josef Laumann die Vor-Ort-Apotheke schätzt, weil ich sie für den niedrigschwelligsten Zutritt zum deutschen Gesundheitswesen halte.« Warum sollten nicht Praxen entlastet werden, etwa bei Impfungen? Die direkte Überweisung an den Facharzt aus der Apotheke sieht er aber nicht – Preis übrigens auch nicht. Laumann will sicherstellen, dass alle Zugang zum Gesundheitssystem haben – daran müsse sich die Politik messen lassen. Und Patientensteuerung sei mehr als ein Primärarztsystem.
ABDA-Präsident Preis ist überzeugt, dass die Apotheken auch dabei unterstützen können, den Menschen mehr Gesundheitskompetenz zu vermitteln, damit sich diese mehr mit Prophylaxe und gesundem Verhalten befassen und letztlich auch schneller therapiert werden. Dazu brauche das System die »vorgelagerte Stufe« Apotheke.
Zum Schluss wurde noch kurz über die Digitalisierung des Gesundheitswesens gesprochen. Als Laumann von dem noch immer bestehenden Problem der Stapelsignaturen bei E-Rezepten erfuhr, schüttelte er ungläubig den Kopf. Grundsätzlich ist er aber überzeugt, dass niemand mehr das E-Rezept missen wolle – trotz der von Preis angesprochenen regelmäßigen Ausfälle bei einzelnen Kassen. Dass es jetzt zum Start der elektronischen Patientenakte (ePA) etwa ruckele, sei auch völlig normal. Preis sieht als Schwachstelle, dass die Patienten selbst Einträge löschen oder unzugänglich machen können. »Das hat seine Berechtigung, aber wir werden sehr viel Arbeit damit haben«, so Preis.
Insgesamt war bei der Diskussion die Hoffnung auf einen Neustart in der Gesundheitspolitik zu verspüren, die auch Apobank-Chef Matthias Schellenberg zur Begrüßung und mit Blick auf den Personalwechsel im BMG geäußert hatte. Doch auch er mahnte: »Das Neue ist etwas Gutes, aber die Probleme sind damit nicht weg.«